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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Hans Holbein der Jüngere: Bildnis des Dichters Henry Howard, Earl of Surrey, im Alter von 25 Jahren, 1542

Dichter Henry Howard, Earl of Surrey, im Alter von 25 Jahren
Bildnis des Dichters Henry Howard, Earl of Surrey, im Alter von 25 Jahren, 1542

Henry Howard, Earl of Surrey

Abb. 234: Thomas Howard, der dritte Herzog von Norfolk, um 1538

Henry wurde als ältester Sohn von Thomas Howard (Abb. 234), dem dritten Herzog von Norfolk (1473-1554), und dessen zweiter Gattin, Elizabeth Stafford, († 1558), der Tochter des Herzogs von Buckingham († 1521), zu Beginn des Jahres 1517 geboren. Es folgten ihm noch sein Bruder Thomas, geboren vermutlich zu Beginn des Jahres 1518, und seine Schwester Mary, geboren im Jahr 1519. Sein Vater, der im Rufe stand, opportun, knauserig, unterwürfig und ehrgeizig zu sein, war Lord-Kammerherr, Großmarschall und Träger des Hosenbandordens. Zudem gehörte Thomas Howard seit 1520 zu den mächtigsten „Dienern“ des englischen Königs. Mit Stolz konnte er sich als einen Abkömmling des englischen Königs Eduard I. († 1307) – über dessen Sohn, Thomas von Brotherton († 1338) – betrachten. Dieser Stolz sollte ihm und seinem Sohn Henry später noch zum Verhängnis werden.

Auch Henrys Mutter, Elizabeth Stafford, konnte auf königliches Blut verweisen. Schließlich gehörte der englische König Eduard III. († 1377) zu ihren Ahnherren. Die Ehe seiner Eltern verlief jedoch sehr unglücklich. Beide Partner begannen sich seit 1521, das Leben gegenseitig zur Hölle zu machen. Henry wie seine Geschwister bezogen dabei für den Vater Partei.

Zu Henrys berühmten Verwandten gehörten auch seine Cousinen Anna Boleyn (Abb. 235) und Catherine Howard (Abb. 236), die zweite und die fünfte Gattin Heinrichs VIII., die beide von ihrem königlichen Ehegemahl in den Jahren 1536 bzw. 1542 hingerichtet wurden.

Seine Zeitgenossen beschrieben Henry Howard als von mittlerer Größe, schlank und sehr gutaussehend. Besonders seine großen, strahlenden Augen ließen das weibliche Geschlecht schwach werden. Außerdem galt er als geradezu unerträglich arrogant, cholerisch, überheblich, eitel, unberechenbar, stolz, verschwenderisch, verwöhnt, launenhaft, eigensinnig, stur, großspurig, lebhaft, aber auch als feinsinnig, charmant, sehr intelligent – er konnte sich perfekt in Spanisch, Latein, Griechisch, Französisch und Italienisch unterhalten –, geschmackvoll, sehr sportlich – ein großartiger Turnierkämpfer – und (als Krieger) sehr tapfer. Seine Freizeit widmete er seinen Hobbys, nämlich der Dichtkunst und der Architektur. Als Dichter wurde er nicht nur von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt und verehrt, und die englischen Damen umschwärmten ihn besonders wegen seiner reizenden Liebesgedichte.

Anna Boleyn
Abb. 235: Anna Boleyn
Catherine Howard
Abb. 236: Catherine Howard
Frances de Vere
Abb. 237: Angeblich Frances de Vere, Henrys Gattin, wohl eher Mary Boleyn

Im April 1532 verheiratete sein Vater ihn mit Frances († 1574) (Abb. 237), der 14-jährigen Tochter von John de Vere, dem 15. Grafen von Oxford. Ihre Ehe, aus der drei Töchter und zwei Söhne hervorgehen sollten, verlief sehr glücklich.

Im Jahr 1537 gebar seine Frances ihm sein erstes Kind, seine Tochter Jane, die sich als das intelligenteste seiner Kinder erweisen sollte. Deren Kenntnisse in Latein und Griechisch reichten später aus, um mit den geistreichsten Männern ihrer Zeit mithalten zu können.

Im März 1538 folgte der Stammhalter, der nach seinem Großvater väterlicherseits Thomas genannt wurde und der in die Geschichte als vierter Herzog von Norfolk eingehen sollte. 1539 kam Katherine, das dritte Kind von Frances und Henry, auf die Welt. Sie sollte als Erwachsene den Ruf genießen, einer der besten Bogenschützen Englands zu sein. Im Februar 1540 folgte das vierte Kind, das nach seinem Vater Henry genannt wurde. Wie seine Schwester Jane sollte auch dieses Kind sich als sehr intelligent erweisen. Als Erwachsener dozierte Henry jun. an der Cambridge Universität in den Fächern Rhetorik und Zivilrecht. Henrys und Frances´ letztes gemeinsames Kind, wieder eine Tochter, kam im Januar 1543 auf die Welt und wurde Margaret genannt.

Das Schicksal hatte es bisher sehr gut mit Henry gemeint. Seine Großspurigkeit, die ihm in seinem Leben schon viele Feinde eingebracht hatte, wurde ihm jedoch im Dezember 1546 zum Verhängnis. Weil er und sein Vater angeblich geplant hätten, nach dem Tode Heinrichs VIII. zunächst die Vormundschaft von Prinz Eduard VI. zu übernehmen und schließlich nach dessen Ermordung sich selbst zu Königen Englands erheben zu lassen, da sie ja durch ihre Vorfahren ebenfalls königliches Blut besaßen, verurteilte man sie wegen Hochverrates zum Tode. Am 14.1.1547 wurde Henry enthauptet. Sein Vater sollte am 28.1.1547 das gleiche Schicksal erleiden, doch zufällig starb an diesem Tag Heinrich VIII. Dessen Nachfolger, Eduard VI., wandelte die Todesstrafe in eine Gefängnisstrafe um, so daß Thomas Howard im Jahre 1553, als Maria Tudor den englischen Thron bestieg, als Greis im Alter von 80 Jahren den Tower noch lebend verlassen durfte.

Henrys Gattin, Frances, die zur Zeit der Verhaftung und Hinrichtung ihres Mannes erneut schwanger war, erlitt eine Fehlgeburt, die sie für mehrere Wochen ans Krankenbett fesseln sollte. Ihre Kinder wurden ihr zudem genommen und im Falle ihres ältesten Sohnes in die Obhut von Sir John Williams, im Falle der vier jüngeren in die Obhut von Lord Wentworth gestellt. Ein Jahr später durften Thomas, Henry, Jane, Katherine und Margaret wieder vereint unter ihrer Tante Mary, Henrys Schwester, leben.

Mary († 1557) (Abb. 238), die im Jahre 1533 den unehelichen Sohn Heinrichs VIII., Henry Fitzroy († 1536) (Abb. 239), den Herzog von Richmond und Somerset und besten Freund ihres Bruders Henry, geheiratet hatte, hatte wohl bei ihren Neffen und Nichten einiges wiedergutzumachen, da sie im Jahre 1546 zu den Zeugen gehörte, die gegen ihren Bruder Henry und ihren Vater ausgesagt hatten. Ja, sie soll es sogar gewesen sein, die den König auf die Gedankengänge und Pläne ihres Bruders aufmerksam gemacht hätte. Angeblich soll sie ihrem Bruder nicht vergeben haben, daß er ihr nach dem Tode ihres ersten Gatten nicht die Heirat mit dem attraktivsten Mann in England, Sir Thomas Seymour (Abb. 240), ihrem großen Schwarm, erlaubt hätte.

Abb. 238: Henrys Schwester Mary, die Herzogin von Richmond und Somerset
Henry Fitzroy, der uneheliche Sohn Heinrichs VIII.
Abb. 239: Henry Fitzroy, der uneheliche Sohn Heinrichs VIII.
Thomas Seymour mit 28 Jahren
Abb. 240: Thomas Seymour mit 28 Jahren, 1535

Henrys Witwe, Frances de Vere, heiratete im Jahre 1553 zum zweiten Male. Ihr Auserwählter war der Landedelmann Thomas Steyning, dem sie noch einen Sohn gebar. Sie lebte bis zu ihrem Tode im Jahre 1574 in aller Abgeschiedenheit in Suffolk und beobachtete das Schicksal ihre fünf Kinder aus ihrer ersten Ehe mehr aus der Ferne. Ihre drei Töchter wurden die Gattinnen angesehener Männer aus dem alten englischen Adel. Jane († 1593) heiratete Charles, den Grafen von Westmorland, Katherine († 1596) Henry, Lord Berkeley, und Margaret († 1591) Henry, Lord Scrope von Bolton.

Thomas Howard, der vierte Herzog von Norfolk
Abb. 241: Thomas Howard, der vierte Herzog von Norfolk und ältester Sohn von Henry Howard

Henrys und Frances ältester Sohn, Thomas Howard (Abb. 241), trat als 16-Jähriger im Jahre 1554 die Nachfolge seines verstorbenen Großvaters gleichen Namens an. Als Cousin zweiten Grades der englischen Königin Elizabeth I. und als einer der reichsten und beliebtesten Adligen Englands gehörte er zu den engsten Vertrauten Elizabeths I. Aber auch er enttäuschte wie sein Vater und Großvater seinen Oberherrn, in seinem Fall die Königin Elizabeth I., indem er sich mit Maria Stuart, der in England gefangengehaltenen schottischen Königin zusammmentat, um mit ihr gemeinsam Elizabeth I. vom englischen Thron zu stürzen. Er soll sogar mit der schottischen Königin verlobt gewesen sein. Und obwohl Elizabeth I. ihm seinen Verrat im Jahre 1570 vergeben hatte, ging er schon kurz darauf wieder ein Bündins mit ihren Feinden ein. Als er erneut bei der Verschwörung gegen die englische Königin entdeckt worden war, gab es kein Pardon mehr. Frances mußte deshalb im Jahre 1572 auch noch die Hinrichtung ihres ältesten Sohnes miterleben.

Janes Gatte, Charles Neville, der Graf von Westmorland, hatte im Jahre 1570 ebenfalls gegen Elizabeth I. konspiriert und mußte, da er bei seiner Ergreifung mit seiner Hinrichtung zu rechnen hatte, England fluchtartig verlassen. Jane folgte ihrem Mann nicht in die spanischen Niederlande, sondern blieb in England, in dem sie im Jahre 1593 verstarb.

Henrys und Frances zweiter Sohn Henry, der Graf von Northampton, der die hohe Intelligenz seines Vaters und die Schläue seines Großvaters, Thomas Howard, geerbt hatte, hatte ebenfalls mit der schottischen Königin korrespondiert. Er kam jedoch mit einer Gefängnisstrafe davon. Um 1600 gehörte er wieder zu den führenden Ratgebern des nächsten englischen Königs, Jakob I.

Im Jahre 1614 ließ Henry jun. für seinen im Jahre 1547 hingerichteten Vater, Henry Howard, ein prächtiges Monument errichten, in dem er neben dessen Überresten auch diejenigen seines Großvaters und seiner Mutter unterbringen ließ. Dort ruhten sie über 120 Jahre, bis ein Amateur-Archäologe und Historiker bei Reparaturarbeiten am Monument und der beiliegenden Kirche den Sarg aus Neugierde öffnen ließ. Die Gebeine von Henry Howard zerfielen dabei zu Staub, und nur Fetzen seiner Kleidung und sein Schädel blieben erhalten. Durch seine zahlreichen Bildnisse – (Abb. 242) und (Abb. 243) – ist er jedoch, auch wenn seine körperlichen Überreste zu Staub zerfallen sind, unsterblich geworden.

Henry Howard
Abb. 242: Henry Howard, um 1535
Abb. 243: Henry Howard, um 1545

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