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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Lucas Cranach der Ältere: Karl V., der zukünftige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, um 1508

Karl V., Erzherzog von Österreich und Herzog von Burgund
Karl V., der junge Erzherzog von Österreich und Herzog von Burgund, um 1508

Kaiser Karl V.

Karl V., der nach seinem Urgroßvater, Karl dem Kühnen († 1477) (Abb. 125), genannt wurde, erblickte als erster Sohn von Philipp dem Schönen († 1506) (Abb. 126) und Johanna der Wahnsinnigen († 1555) (Abb. 127) am 24.2.1500 in Gent das Licht der Welt. Sein Vater, der einzig legitime Sohn Kaiser Maximilians I. († 1519) (Abb. 128), war Erzherzog von Österreich, Landesherr der niederländischen Territorien, Graf von Flandern und Herr der Freigrafschaft Burgund. Seine Mutter entstammte dem spanischen Königshaus und erwarb durch den frühen Tod ihrer beiden älteren Geschwister, Isabella und Johann, 1504 die Anwartschaft auf den kastilisch-aragonesischen Thron. Königin durfte sie jedoch wegen ihrer psychischen Labilität und wegen des Machthungers ihres Vaters, Ferdinand II. von Aragon († 1516), und ihres Sohnes, Karl V., nie werden.

Karl der Kühne
Abb. 125: Karl der Kühne, um 1454
Philipp der Schöne
Abb. 126: Philipp der Schöne
Johanna die Wahnsinnige
Abb. 127: Johanna die Wahnsinnige
 
Kaiser Maximilian I.
Abb. 128: Kaiser Maximilian I.
Eleonore von Portugal und Frankreich
Abb. 129: Eleonore von Portugal und Frankreich

Karl, der seinen Vater schon 1506 verlor, wuchs mit seinen drei Schwestern Eleonore († 1558) (Abb. 129), Isabella († 1526) (Abb. 130) und Maria († 1558) (Abb. 131) bei seiner künstlerisch und literarisch vielseitig begabten Tante Margarete († 1530) (Abb. 132), der Statthalterin der Niederlande, auf. Das Verhältnis zu seinen Schwestern Eleonore und Maria war zeitlebens besonders herzlich. Mit seinem Bruder Ferdinand I. († 1564) (Abb. 133) jedoch, der in Spanien geboren und erzogen worden war, und den er erst mit 17 Jahren kennenlernte, gab es viele, z.T. schwere Auseinandersetzungen. Auch mit seiner jüngsten Schwester Katharina († 1578) (Abb. 134), die ebenfalls in Spanien geboren worden war und die ihre Kinder- und Jugendjahre bei der Mutter in Spanien verbracht hatte, hatte er sehr wenig Kontakt.

Karl (V.) mit seinen Schwestern Eleonore und Isabella
Abb. 130: Karl (V.) mit seinen Schwestern Eleonore (Mitte) und Isabella (rechts)
Maria von Ungarn
Abb. 131: Maria von Ungarn, um 1530
 
Margarete von Österreich
Abb. 132: Margarete von Österreich
Ferdinand I.
Abb. 133: Ferdinand I.
Katharina von Portugal
Abb. 134: Katharina von Portugal

1515 wurde Karl zum Herrn von Burgund und 1516 nach dem Tode seines Großvaters, Ferdinand II. von Aragon (Abb. 135), zum König von Kastilien und Aragon ausgerufen. Und am 28.6.1519 wählten die sieben Kurfürsten, nachdem reichlich Bestechungsgelder geflossen waren, ihn zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 11 Jahre später fand schließlich die Kaiserkrönung, die zum letzten Mal in der Geschichte von einem Papst vorgenommen wurde, in Bologna statt.

Ferdinand II. von Aragon
Abb. 135: Ferdinand II. von Aragon

Wer war dieser Mann, der mit den Niederlanden, der Freigrafschaft Burgund, den österreichischen Ländern, Mailand, Süditalien, dem spanischen Königreich einschließlich den Überseegebieten ein Reich besaß, in dem tatsächlich nie die Sonne unterging?

Sein Äußeres war – laut seiner Zeitgenossen – alles andere als einnehmend. Er war schmächtig, mittelgroß und wies eine bleiche und ungesunde Gesichtsfarbe auf. Der Hals wie die Nase waren viel zu lang, und sein Gesicht vermittelte durch den stets halbgeöffneten Mund den Ausdruck ständigen Erstaunens. Das typische habsburgische Kinn mit der fleischigen Unterlippe stand weit hervor, und seine hervorquellenden Augen hinterließen einen unangenehm durchdringenden und strengen Blick. Charakterlich wurde er als wortkarg, introvertiert, leicht stotternd und zumindest in jungen Jahren als sehr scheu und oft verlegen dargestellt. In Gesellschaft von schönen jungen Damen neigte er als junger Mann zudem dazu, leicht zu erröten. Außerdem galt er als unnahbar, humorlos, autoritär, ruhm- und machtsüchtig, überheblich stolz, arrogant, zäh, gefühlskalt, egozentrisch, ehrgeizig, gefräßig, aber auch als musikalisch, gewissenhaft, pflichtbewußt, arbeitswütig und melancholisch, und er soll er ein ausgezeichnetes Gedächtnis besessen haben.

Seine Muttersprachen waren das Flämische und das Französische. Später beherrschte er noch das kastilische Spanisch und das Italienische. Deutsch sprach er dagegen nur in einem unbeholfenen Platt. Er galt als ein typischer Einzelgänger, der keine Freunde wollte und brauchte. Seine schlichte, schwarze Kleidung wirkte zwar bescheiden, sie gehörte jedoch seit Philipp dem Guten († 1467) zum Markenzeichen des burgundischen Hauses. Beim Essen und Trinken kannte er indessen fast keine Grenzen. Im Alter wurde seine "Freßsucht" für ihn geradezu lebensbedrohlich. Seine Lieblingsspeisen sollen geräucherter Aal, Würste und Anchovis und sein Lieblingsgetränk eisgekühltes Bier gewesen sein. Auch die spanische Küche soll ihn begeistert haben. Mit großem Interesse sammelte er Landkarten und führte er Gespräche mit Kosmographen. Seine Leidenschaft gehörte jedoch den Uhren. Besonders die Taschenuhren hatten es ihm angetan. Wenn die Zeit es erlaubte, las er auch gern Bücher, die sich mit den Themen Religion, Geschichte und Astronomie beschäftigten.

Zeitlebens galt seine erste Sorge jedoch der Macht- und Glanzerhaltung seines Hauses. Diesem Zweck ordnete er alles unter. So hatte sich auch jeder in seiner Familie seinem Willen zu beugen. Seine Schwester Eleonore mußte aus rein politisch-dynastischen Gründen ihren sehr viel älteren buckligen Onkel Manuel († 1521), den König von Portugal, heiraten. Nach dem Tode ihres ersten Gatten hatte sie auf Befehl des Bruders schließlich die Gemahlin des französischen Königs, Franz I. († 1547) (Abb. 136), zu werden. Seine Schwester Katharina wurde aus politisch-finanziellen Gründen die Gattin ihres Cousins, Johann III. († 1557), des Nachfolgers des verstorbenen Königs Manuel auf dem portugiesischen Thron. Auch die Nichten, Neffen, Cousins und Cousinen hatten sich Karls politischen Heiratsplänen zur Verfügung zu stellen. Seinen Bruder Ferdinand bestimmte er zum Statthalter in Deutschland. Alles geschah nach seinen Anweisungen. Er selbst heiratete 1526 – ebenfalls aus politisch-finanziellen Gründen – seine portugiesische Cousine, Isabella (geb. 1503) (Abb. 137).

Franz I. von Frankreich
Abb. 136: Franz I. von Frankreich
Isabella, die Gattin Karls V.
Abb. 137: Isabella, die Gattin Karls V.

Seine Frau schenkte ihm sechs Kinder, von denen jedoch bereits drei als Säuglinge oder Kleinkinder starben. Am Leben blieben nur Philipp II. (1527-1598) (Abb. 138), Maria (1528-1603) (Abb. 139) und Johanna (1535-1573) (Abb. 140). Schon im Jahre 1539 starb seine Gattin Isabella an den Folgen einer Lungenentzündung, die sie sich kurz nach der schweren Geburt ihres sechsten Kindes zugezogen hatte. Karl V. heiratete kein zweites Mal. Außer den drei Kindern mit Isabella hatte er noch eine Tochter namens Margarete (1522-1586) (Abb. 141), die aus einem kurzen Verhältnis mit einer Tapezierers- oder Teppichweberstochter aus Oudenarde hervorgegangen war, und einen Sohn namens Don Juan d'Austria (1547-1578) (Abb. 142), den ihm Barbara Blomberg, die Tochter eines angesehenen Regensburger Bürgers, zur Welt gebracht hatte.

Philipp II. von Spanien
Abb. 138: Philipp II. von Spanien
Maria, die ältere Tochter von Karl V. und seiner Gattin Isabella
Abb. 139: Maria, die ältere Tochter von Karl V. und seiner Gattin Isabella
Johanna, die jüngere Tochter von Kaiser Karl V. und seiner Gattin Isabella
Abb. 140: Johanna, die jüngere Tochter von Kaiser Karl V. und seiner Gattin Isabella
Margarete von Parma
Abb. 141: Margarete von Parma
Don Juan d'Austria
Abb. 142: Don Juan d´Austria

Wenn es um seine Machtposition ging, konnte Karl V. zudem hemmungslos und brutal werden. Da er ständig in Angst lebte, sein Weltreich könnte ihm genommen werden, befand er sich sein ganzes Leben lang in irgendwelchen Kriegen. Einerseits mußte sein größter Rivale, der französische König Franz I., in seine Schranken gewiesen werden, andererseits hatte er mit den Türken zu kämpfen, die das deutsche Reich und die österreichischen Länder stark bedrohten und Gebietsteile von Ungarn schon besetzt hielten. Die religiöse Erneuerung in Deutschland nahm er, als er noch jung war, dagegen nicht so ernst. Der Kampf gegen die Franzosen war für ihn in jungen Jahren viel wichtiger.

Als er schließlich gegen die evangelische Lehre vorging, war es bereits zu spät. Die Bewegung war zu stark geworden. Das Interesse für die katholische Religion nahm bei Karl erst um 1545 zu, als ihm seine Gesundheit immer mehr zu schaffen machte. Er wirkte mittlerweile mager, verbraucht, ja sogar weicher und sensibler. Wegen seiner schweren Gicht- und Asthmaanfälle war er überdies häufig bettlägerig. Seine Hauptgegner schienen nun nicht mehr wie bisher in seinem Leben die Franzosen und die Türken gewesen zu sein. Jedenfalls schloß er mit beiden Gegnern einen Waffenstillstand und ging im Jahre 1546 schließlich gegen die protestantischen Fürsten und Reichsstädte vor. Und er siegte. In der Schlacht von Mühlberg konnte er am 24.4.1547 den Landgrafen Philipp von Hessen († 1567) und den Kurfürsten von Sachsen, Johann Friedrich den Großmütigen (Abb. 143), gefangennehmen. Aber er war nicht in der Lage, seine militärischen Erfolge zu feiern, denn er erkrankte um Weihnachten 1547 ernsthaft. Viele rechneten bereits mit seinem Tode. Er blieb zwar am Leben, aber das Glück hatte ihn von nun an verlassen. Die evangelischen Fürsten verbündeten sich nämlich mit Frankreich und zwangen Karl V. im Jahre 1553 sogar zur Flucht. Seiner Gefangennahme konnte er nur knapp entgehen. 1555/56 dankte er schließlich zugunsten seines Sohnes, Philipp II., und seines Bruders, Ferdinand I., aus gesundheitlichen Gründen, wie er betonte, ab. Philipp II. wurde König in Spanien, Neapel, Mailand, Burgund und den Niederlanden, Ferdinand I. Kaiser des deutschen Reiches und Herr der österreichischen Erblande.

Johann Friedrich der Großmütige als Bräutigam
Abb. 143: Johann Friedrich der Großmütige als Bräutigam
Karl V. und seine Schwester Katharina, seine Schwester Maria, seine Gattin Isabella und seine Schwester Eleonore
Abb. 144: Karl V. und seine „Frauen“: seine Schwester Katharina, seine Schwester Maria, seine Gattin Isabella und seine Schwester Eleonore (von links nach rechts)

Im August 1556 verließ Karl V. in Begleitung seiner Schwestern Eleonore und Maria Brüssel, um sich mit ihnen gemeinsam nach Spanien zu begeben (Abb. 144). Im Kloster von San Jerónimo de Yuste in Estremadura fand er endlich genug Ruhe und Frieden, um seinen Hobbys nachgehen zu können. Doch mit Interesse verfolgte er in seinem selbstgewählten Exil auch weiterhin die religiösen Bewegungen in Spanien. Als das Luthertum sich hier gegen Ende der 50er Jahre auszubreiten versuchte, befahl er seinen Kindern, Philipp II. und Johanna, die Protestanten öffentlich zu verbrennen und ihre Güter einzuziehen. Am 21.9.1558 starb er – den die Gicht schon im Jahre 1557 zum völlig bewegungsunfähigen Krüppel gemacht hatte – an Malaria. Durch seinen gehorsamen Sohn Philipp II. lebte er aber noch für weitere Jahre fort. Denn diesem hatte Karl V. ein politisches Testament vermacht, in dem er seinem Nachfolger geradezu aus dem Jenseits penibel vorschrieb, was dieser in Zukunft zu tun und zu lassen hatte. Und Philipp II. beugte sich als gehorsamer Sohn dem Willen des Kaisers und Vaters.


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