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Begegnungen mit Zeitgenossen der Renaissance

Jan van Eyck: Die Arnolfini-Hochzeit, 1434

Die Arnolfini-Hochzeit
Die Arnolfini-Hochzeit, 1434

Die Ehe zur linken Hand

In der Hauspolitik der reichen Kaufleute spielte die Wahl der "richtigen" Braut eine ebenso große Rolle wie in den patrizischen und adligen Kreisen. Mit der zukünftigen Schwiegertochter, die selbstverständlich gleichen Standes war bzw. sein sollte, wollte man politische, wirtschaftliche oder auch strategische Vorteile erzielen. Verliebte sich der Sohn jedoch in eine standesungleiche Dame und hatte zudem auch noch vor, diese zu heiraten, bot sich als Ausweg nur die Ehe zur linken Hand, auch morganatische Ehe genannt, an. Mit dieser besonderen Eheform, die kirchlicherseits voll anerkannt war und vom 13. - 18. Jh. existierte, konnte sich die Familie des Bräutigams gegen die Aufnahme der "niedrigen" Braut und der aus dieser Verbindung hervorgehenden Kinder in ihren Clan wehren. Da die Frau wie die Kinder durch die morganatische Ehe ihren geringeren Stand behielten und dem Gatten bzw. Vater gegenüber nicht erbberechtigt waren, blieb diesen „Nichtgewollten“ der Weg in die höheren Kreise verschlossen. Nur durch reichliche Schenkungen zu Lebzeiten konnte der Ehemann und Vater für eine sichere Zukunft seiner Liebsten sorgen. Hier auf dem Bild wählte Michele Arnolfini († 1473) diese besondere Eheform, um seine Elisabeth heiraten zu können. Aus dieser Verbindung gingen zwei Söhne hervor: Jehan und Nicolas. Die Arnolfinis waren eine mächtige Kaufmannsfamilie aus Lucca, die in Brügge und in Paris ihren Haupthandel trieben. Micheles Bruder, Giovanni († 1472), stand in engen Handelsbeziehungen mit Philipp dem Guten von Burgund († 1467) und Ludwig XI. von Frankreich († 1483). Letzteren hatte er in den Jahren 1456-1461, als Ludwig XI. vor seinem Vater Karl VII. geflohen war und in Burgund im Exil gelebt hatte, bereitwillig mit Geld, Tuchen und Kleidung versehen. Dafür wurde er 1461, als Ludwig XI. König von Frankreich wurde, zum Generaleinnehmer der Normandie erklärt. Apropos, Hochzeitskleid! In Weiß wurde in der Regel erst ab dem 19. Jh. geheiratet. So trug Elisabeth zu ihrer Hochzeit ein blaues Unter- und ein grünes Oberkleid.

Werfen Sie doch bitte einmal einen Blick in den Spiegel! Können Sie den Maler Jan van Eyck in seinem blauen Gewand erkennen, wie er gerade die feierliche Zeremonie auf seiner Leinwand festhält? (Abb. 15)

Zusatzbemerkung der Autorin: Viele meiner Leser und Leserinnen schreiben mir, dass sie in ihren Bildbänden den Bräutigam mit dem Namen Giovanni Arnolfini, dem ein Jahr älteren Bruder von Michele, angegeben finden. Nach dem gründlichen Durchforsten der mir zur Verfügung stehenden Bücher bleibe ich jedoch bei meiner Behauptung, dass es sich bei dem dargestellten Bräutigam um dessen Bruder Michele handelt.

Die Symbolik spielt im gesamten Mittelalter und in der Renaissance eine wichtige Rolle. Bei allen Heiraten (sehr häufig wird in diesen Zeitepochen die Vermählung von Maria und Joseph dargestellt) reicht der Bräutigam der Braut seine rechte Hand. Zudem sind sämtliche Verwandten, Bekannten und zuweilen auch die Nachbarn als Zeugen dieses Trauungsaktes um das Brautpaar gruppiert (Abb. 16, Abb. 17a und Abb. 17b).

Die Arnolfini-Hochzeit (Ausschnitt)
Abb. 15: Das Brautpaar aus einer anderen Perspektive
Die Vermählung der Heiligen Maria
Abb. 16: Raffael: Die Vermählung der Heiligen Maria, 1504
 
Eine rechtmäßige Heirat
Abb. 17a: Eine rechtmäßige Heirat von Ehepartnern gleichen Standes unter vielen Zeugen
Die Hochzeit von Kaiser Friedrich III. und Eleonore von Portugal
Abb. 17b: Die Hochzeit von Kaiser Friedrich III. und Eleonore von Portugal, der Bräutigam reicht seiner Braut die rechte Hand unter vielen Zeugen.

Jan van Eyck wird seinen Grund gehabt haben, warum er in seinem berühmten Gemälde den Bräutigam mit seiner linken Hand die rechte Hand der Braut ergreifen lässt. Zudem sind wie bei den Ehen zur linken Hand üblich, keine Familienangehörigen zu sehen. Denn es sind keine Zeugen nötig, da die Braut und auch deren zukünftige Kinder aus dieser Ehe mit dieser Vermählung nicht die allergeringsten Rechtsansprüche z.B. hinsichtlich des Erbes des Gatten und Vaters beantragen können.

Und deshalb muss dieses Gemälde für die Braut von unschätzbarem Wert gewesen sein. Hat doch der berühmte Jan van Eyck diesen Trauungsakt für alle Ewigkeit festgehalten!!! Ein schöneres Geschenk hätte sich bestimmt keine Frau unteren Standes, die einen Mann der höheren Gesellschaftsschicht heiratete und die damit einer unsicheren Zukunft entgegensehen musste, wünschen können.

Giovanni Arnolfini ging im Gegensatz zu seinem Bruder Michele keine morganatische Ehe ein, heiratete also nicht zur linken Hand. Seine Braut Giovanna Cenami stammte aus dem sehr berühmten, sehr angesehenen italienischen Kaufmannsgeschlecht Cenami. Eine stille (heimliche) Heirat ohne Zeugen hätten ihre Verwandten nie erlaubt. Außerdem fand ihre Hochzeit erst im Jahr 1447 statt. Das Gemälde wurde jedoch von Jan van Eyck mit seinem Entstehungsdatum, dem Jahr 1434, versehen.

Giovannis Heirat erhöhte überdies das Ansehen seiner Familie und wird daher, wie es der Brauch war, unter Hunderten von Zeugen geschlossen worden sein. Da Giovanna sogar blaues Blut nachgesagt wird (einer ihrer Vorfahren war ein illegitimes Kind aus dem französischen Königshaus) und Giovanni zudem auf freundschaftlichem Fuß mit dem französischen König Ludwig XI. stand, ist anzunehmen, das Ludwig XI. es sich nicht hat entgehen lassen, bei dieser Hochzeit anwesend zu sein.

2. Zusatzbemerkung der Autorin: In den letzten Wochen erhielt ich eine Reihe von Fragen bezüglich Elisabeth, der Gattin von Michele Arnolfini, die im Jahr 1434 von Jan van Eyck anlässlich ihrer Heirat in seinem berühmten Gemälde „Die Arnolfini-Hochzeit“ dargestellt wurde. War sie etwa schwanger, als sie ihren Michele heiratete? Zusätzlich wurde mir folgende Zeichnung anlässlich der Hochzeit des Herzogs Adolf I. von Kleve (1373-1448) mit seiner zweiten Gattin, Maria von Burgund (1394-1463), im Jahr 1406 geschickt (Abb. 17c), in der die Braut ebenfalls schwanger zu sein scheint, obwohl diese erst am 23. Februar 1416, also zehn Jahre später, ihrem ersten Kind, ihrer Tochter Margarete, das Leben schenkte. Ob sie das Kind, das sie im Jahr 1406 unter ihrem Herzen getragen hätte, verloren hätte?

Adolf I. von Kleve und Braut
Abb. 17c: Adolf I. von Kleve heiratet seine zweite Gattin, die 12-jährige Maria von Burgund, 1406 (Mit freundlicher Genehmigung von Kyler de Zeger)

Nein, liebe Leser und Leserinnen, beide Bräute waren nicht schwanger. Andere Zeiten, andere Sitten und Gebräuche! Im Mittelalter, wie überhaupt bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein, hatten die Frauen bei ihren Heiraten als Jungfrauen vor den Altar zu treten. Der Ruf einer Frau war sehr wichtig. Niemand von ihnen durfte Sex vor der Eheschließung haben. Für die Männer, die, wie sie es selbst sahen, „die Auserwählten Gottes“ waren, galten zwar die gleichen Moralvorschriften, aber von ihnen hatte sich niemand an diese zu halten. Männer schliefen vor ihrer Eheschließung und während ihrer Ehe mit unzähligen anderen Frauen.

Keine Frau im Mittelalter und der Renaissance wird sich bei ihrer Eheschließung in einem Gemälde oder einer Zeichnung als Schwangere verewigt haben. Schließlich zeigte sie hiermit nicht nur ihrer Familie und ihren Verwandten, sondern der ganzen Welt, was für eine unsittliche Frau sie gewesen war. Die wichtigste Eigenschaft, die eine zukünftige Gattin, aufweisen sollte – außer dass sie aus einem standesgemäßen, guten Hause stammte – war ihre Gebärfähigkeit. Sie sollte zahlreichen Nachwuchs mit vielen Söhnen produzieren. Maria von Burgund, die junge Braut des Herzogs Adolf I. von Kleve, erfüllte diesen Wunsch aller Männer ihrer Zeit. Sie schenkte 10 Kindern das Leben, drei von diesen waren Söhne. Dieser große Wunsch der Männer nach gebärfähigen Gattinnen zeigte sich schließlich auch in der Kunst bzw. in der Darstellungsform des weiblichen Geschlechtes. Sämtliche nackten Frauen und Mädchen hatten diesen vorgewölbten Unterleib, der sie schwanger erscheinen ließ, was jedoch nicht heißt, dass sie wirklich schwanger waren und in der Tat unzähligen Nachwuchs produzieren konnten (Abbn. 17d, 17e und 17f).

Adam und Eva
Abb. 17d: Adam und Eva, um 1480
 
Zeuxis malt fünf Frauen
Abb. 17e: Der berühmte griechische Maler Zeuxis malt fünf Jungfrauen (Werk wurde um 1500 erstellt)
Bathseba badet
Abb. 17f: Die französische Königin Anna de Bretagne leiht der biblischen Gestalt Bathseba ihre Gesichtszüge (im Hintergrund ist Annas Gatte, der französische König Ludwig XII., abgebildet worden), um 1500

Lesetipps:
  • Wenn Sie mehr über die unterschiedlichen Eheformen im Mittelalter und der Renaissance wissen möchten, dann kann ich Ihnen mein Buch "Der Alltag im Mittelalter" sehr empfehlen!

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