Georg Ludwig war der älteste Bruder der berühmten Sophie Charlotte (1668-1705), der Kurfürstin von Brandenburg und Königin in Preußen, und der Onkel und schließlich auch Schwiegervater des berüchtigten preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1688-1740).
"Als ältester Sohn eines ehrgeizigen Vaters spielte Georg eine wichtige Rolle in Ernst Augusts Zukunftsplänen. Diese Pläne prägten Georgs Leben. Das begann schon, als er noch ganz jung war. Keinem anderen seiner Söhne widmete Ernst August soviel Zeit. Daß Georg auch seiner Mutter viel bedeutete, ist oft bestritten worden. Sie nannte Gustchen [ihren zweiten Sohn Friedrich August (1661-1690)] einmal einen 'echten Pfälzer', sprach dagegen vom 'Braunschweiger Görgen' [Kosename für Georg Ludwig], und das wurde dahingehend gedeutet, daß sie Georg nicht mochte. ... Auf ähnliche Weise wurde ihr Geständnis einer der Raugräfinnen [Nichten von ihr] gegenüber, nachdem Karl Philipp Anfang 1690 im Kampf gefallen war, dies sei der Sohn, den sie insgeheim am meisten geliebt habe, als Beweis für die Theorie herangezogen, Georg sei kalt und gefühllos geworden, weil er in der Kindheit Mutterliebe habe entbehren müssen. ... In eben dem Brief, in dem Sophie Aussehen und Charakter der beiden ältesten Jungen miteinander vergleicht, bekennt sie, daß Georg ihr Herz mehr berühre als Friedrich August. Als Kind war er so zuverlässig und lernwillig, versuchte er, so sehr zu tun, was sie ihm sagte, und ihr zu gefallen, daß er ein Beispiel gab, an das keines seiner Geschwister heranreichte: Gustchen war unartig und launisch, Maximilian geistlos, Karl Philipp verschlossen und querköpfig, Figuelotte und Christian Heinrich wollten nichts lernen, und Ernst August, das Nesthäkchen, war zwar 'das einfachste von all meinen Kindern', aber sie glaubte nicht, daß 'viel an ihm' sei. Diese und ähnliche Äußerungen waren natürlich momentane Eindrücke, die in Briefen an Verwandte weitergegeben wurden. Gewiß entwickelte sich Sophie Charlotte zu einer jungen Dame von bestechendem Intellekt; wurde aus Karl Philipp ein Charmeur, der seiner Mutter gut formulierte und informative Briefe aus dem Krieg schickte; sammelten Friedrich und Christian Bücher, die anspruchsvoller waren als die, die ihr ältester Bruder erwarb; und durchlief Georg in der Adoleszenz eine Phase grämlicher Verschlossenheit, die seine Mutter zur Verzweiflung trieb. Doch ihre Meinung über Georgs Temperament und Charakter blieb unverändert. Und nach dem Tod ihres Mannes brachten es die Umstände mit sich, daß vor allem Georg ihr zur Seite stand. ... sie wurde nie müde, denjenigen, die ihn für kühl und allzu ernst hielten, zu erklären, daß er auch 'lustig' sein könne, daß er sich die Dinge zu Herzen nähme, tief empfände und sensibler sei, als er es sich anmerken ließe. Für sie vereinigte er in sich die besten pfälzischen und braunschweigischen Züge. Er arbeitete hart, ... [und er erinnerte sie an ihren ältesten Bruder Karl I. Ludwig (1617-1680), Kurfürst von der Pfalz] weil er so gefällig und amüsant Geschichten erzählen konnte. ... [Georg] war ein vorzüglicher Reiter, hatte gute Nerven und viel körperlichen Mut. ... Auf den vier Feldzügen, an denen er während des Niederländischen Kriegs teilnahm, reifte Georg heran und entwickelte sich zu einem tüchtigen Offizier. ... Er hatte gute Französisch-, Deutsch- und Lateinkenntnisse und konnte außerdem etwas Italienisch und Niederländisch. Seine Interessen waren eher praktisch ausgerichtet, und durch seine frühe Teilnahme an Feldzügen wurden sie auf Karten, Reisebücher, Geographie, neuere Geschichte und das Studium der Kriegskunst gelenkt. Sein ganzes Leben lang hörte und las er gern Einschlägiges zu diesen Themen; auch die Bücher, die er als junger Mann kaufte, fallen in diesen Bereich. ... Mit dem Weggang der Erzieher und Lehrer nach 1675 wurde ihm auch sexuelle Freiheit zugestanden, allerdings erst nach einem geharnischten Streit im Herbst 1676. Es stellte sich heraus, daß Georg Figuelottes [= seine Schwester Sophie Charlotte] Untergouvernante geschwängert hatte. Ernst August tobte wegen der Peinlichkeiten, die daraus erwachsen konnten, denn diese Untergouvernante war vom Heidelberger Hof zu ihnen gekommen. Sophie nahm all das gelassener. Beide Eltern bekundeten allerdings Zweifel daran, daß die werdende Mutter so unschuldig sei, wie sie behauptete, und deuteten nicht eben zart an, sie sei mit ihrer Gunst recht freigiebig gewesen. Der Sohn, den sie gebar, war Georg jedoch wie aus dem Gesicht geschnitten. Karl Ludwig verwendete sich für seinen Neffen, was Ernst August milder stimmte. Und nun sagte man Georg, er könne schlafen, mit wem er wolle, solange er umsichtig genug sei, daß die Spatzen nicht seinen Namen als Vater unehelicher Kinder von den Dächern pfiffen. Das Kind wurde nicht anerkannt. Über sein weiteres Schicksal und das seiner Mutter weiß man nichts. Es scheint, daß Georg sich diese Lehre zu Herzen genommen hat. In späteren Jahren wurde keine der illegitimen Töchter, die ihm Melusine von der Schulenburg gebar, öffentlich als sein Kind anerkannt. Und falls Damen, die in den späten 70er und frühen 80er Jahren des 17. Jahrhunderts seine Geliebten gewesen sein sollen, Kinder von ihm auf die Welt brachten, so erfuhr auch das niemand. Nicht einmal die Namen dieser Geliebten kennen wir mit Sicherheit. Eine Dame, Maria Katherine von Meysenbug [jüngere Schwester der Geliebten seines Vaters], ... wird in der zeitgenössischen Korrespondenz freilich so oft als Georgs Gefährtin erwähnt, daß man angenommen hat, sie sei vor ihrer Heirat Georgs Geliebte gewesen. ... Sie sah gut aus und hatte ein lebhaftes Wesen, war aber auch schon alt genug, um einigermaßen vernünftig zu sein (etwa fünf Jahre älter als Georg). Man konnte sich jedenfalls darauf verlassen, daß sie keine Schwierigkeiten machen würde, wenn die Zeit für Georgs Heirat reif war." (in: Ragnhild Hatton: Georg I. - Ein deutscher Kurfürst auf Englands Thron, ebenda, S. 26-27/32-34).