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Die Entwicklung der Menschheit

Homo neanderthalensis

Homo neanderthalensis
Abb. 16a: Homo neanderthalensis

Der Homo heidelbergensis in Europa war schließlich der Urahne des Homo neanderthalensis (Abb. 16a), des Neandertalers, dessen Fossilien erstmals im Jahre 1856 im Neanderthal (oder Neandertal) in der Nähe von Düsseldorf gefunden wurden. Die frühesten Skelettfunde von diesem Frühmenschen reichen laut Chris Stringer 600.000 Jahre zurück. Die Herrschaft der Neandertaler währte daher über 500.000 Jahre und endete erst mit dem Auftreten des Homo sapiens vor ungefähr 40.000 Jahren. Noch 10.000 Jahre lebte er neben unserem direkten Vorfahren, bevor er schließlich vor ungefähr 30.000 Jahren ausstarb. Neuere Forschungsergebnisse (2014) sprechen sogar von einem Aussterben des Homo neanderthalensis vor bereits 41.030 bis 39.260 Jahren.

Der Neandertaler, von dem mittlerweile Fossilien in Wales, auf Gibraltar, in Moskau, in Usbekistan und in Israel gefunden wurden, der also nur in Europa und in Vorderasien existierte, war optimal an die heftigen Klimaumschwünge, die in diesen Regionen während der letzten 500.000 Jahre geschahen, angepasst.

Sein Körper hatte sich nämlich sehr gut an die Eiszeit, in der er lebte, adaptiert. So war er mit seinen 1,68 m beim männlichen Geschlecht und seinen 1,60 m beim weiblichen Geschlecht kleiner als sein Vorfahre, der Homo erectus, der eine durchschnittliche Größe von 1,85 m aufwies. Zudem besaß er eine kräftige und untersetzte Statur. Seinem schweren Skelett entsprach seine starke Muskulatur. Die Männer wogen im Durchschnitt 70 kg, die Frauen 55 kg. Die Gliedmaßen waren überdies im Verhältnis zum Rumpf eher kurz, wie wir es auch bei den Eskimos, die ebenfalls in den eiskalten Regionen der Erde leben, gewohnt sind. Die bei den Neandertalern charakteristische breite Nase sorgte obendrein dafür, dass die eiskalte, trockene Luft erst einmal befeuchtet und gewärmt wurde, bevor sie in die Lungen eintrat. Außerdem war er hellhäutig.

Wie der Homo erectus, der Homo habilis und der Australopithecus besaß der Neandertaler jedoch noch eine flache Stirn, einen kräftigen Knochenwulst über seinen großen Augenhöhlen und ein fliehendes Kinn. Sein abgeflachter und breiter Schädel schützte ein Gehirn, das mit seinem Volumen bis zu 1750 ml sogar größer als das des heutigen Menschen war. Ob er schon mit Seinesgleichen sprachlich kommunizieren konnte, ist zurzeit eine der großen Streitfragen der Paläontologen und Anthropologen.

Denn bereits sein Vorfahre, der Homo heidelbergensis, besaß wie der Homo sapiens einen grundsätzlich modernen Stimmapparat. Der Homo heidelbergensis schien ihn jedoch nicht zum vollartikulierten Sprechen genutzt zu haben. Wichtig für Letzteres ist die Lage des Kehlkopfes. Befindet sich dieser jedoch wie bei den Neandertalern im oberen Halsbereich, verkürzt er den Rachenraum und schränkt somit die Möglichkeit zur Abwandlung von Stimmlauten beträchtlich ein. Die Artikulation von Vokalen wie A, I und U ist somit nicht möglich. Aber dies muss meines Erachtens nicht bedeuten, wie einige Wissenschaftler behaupten, dass die Neandertaler sich der Sprache zur Kommunikation nicht bedienen konnten. Denn es gibt ja auch noch heute bei uns viele Sprachen, die nicht alle Vokale und Konsonanten ausnutzen, die kehlkopfmäßig möglich wären. Wir dürfen daher den Neandertalern sehr wohl eine Sprache zugestehen, die für unsere Ohren vielleicht nur sehr ungewohnt geklungen haben mag.

Beim Homo sapiens wie beim Homo heidelbergensis befindet sich der Kehlkopf dagegen im unteren Halsbereich. Der dadurch verlängerte Rachenraum schafft die Voraussetzung für eine bessere Lautmodulation und ermöglicht somit ein breites Spektrum an Lauten und Tönen. Der Nachteil dieser Konstruktion ist jedoch, dass Probleme beim Atmen und Schlucken auftreten können. Denn ein gleichzeitiges Atmen und Schlucken beinhaltet das Risiko, beim Essen zu ersticken.

Die kalten Winternächte überlebte der Neandertaler, der sich bereits mit Pelzen und Fellen kleidete, zuweilen in einer Höhle oder, was weitaus häufiger zutraf, in seinen selbstgebauten Hütten aus z.B. Mammutknochen und -stoßzähnen und Tierhäuten, in der das Feuer für die nötige Wärme sorgte. Die Gruppe, mit der er seine Behausung teilte und die aus den engsten Familienangehörigen bestand, war relativ klein und setzte sich vermutlich selten aus mehr als 10 Mitgliedern zusammen. Mit seinen Brüdern, seinem Vater und seinen Onkeln jagte er den Bären, das Mammut, das wollige Rhinozeros, das Wildpferd, den Damhirsch, das Rentier, den Wildesel, die Saiga-Antilope, den Steinbock, die Bergziege und den Bison gemeinsam (Abb. 16b und Abb. 16bb). Auch Hasen, Füchse und Vögel und schließlich vor 50.000/40.000 Jahren zudem Fische und pflanzliche Produkte wurden nicht verschmäht.

Eine Gruppe von Neandertalern vor ihrer Höhle
Abb. 16b: Eine Gruppe von Neandertalern vor ihrer Höhle, deren Eingang nach Süden wies, um optimale Wärme und Schutz vor den kalten Winterwinden zu bieten (Werk des Künstlers Z. Burian)
Eine Gruppe von europäischen Mammuts
Abb. 16bb: Eine Gruppe von europäischen Mammuts (Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt am Main)

Im Gegensatz zu dem Homo sapiens, der zu den unterschiedlichen Jahreszeiten unterschiedliche Orte aufsuchte und als Nomade dem Wild, von dessen Fleisch er sich ernährte, folgte, blieb der Neandertaler mit seiner Gruppe das ganze Jahr über in der Region, in der sich seine Höhle bzw. Hütte befand. Um ausreichend für Nahrung für sich und seine Angehörigen sorgen zu können, hatte er deshalb ein großes Jagdgebiet nötig und war häufig viele Tage unterwegs, bis er endlich mit Beute heimkehren konnte. Die Neandertaler hatten härter und in schon früheren Lebensjahren als unsere Vorfahren für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Aber sie waren wohlorganisierte und sehr geschickte Jäger (wenn auch dies von einigen Wissenschaftlern bezweifelt wird), die zudem verstanden, ausgefeilte Werkzeuge aus Stein zu produzieren. Sie verwendeten jedoch selten Knochen und Horn zu deren Herstellung.

Als Jagdgeräte, die auch als Waffen verwendet werden konnten, verfügten sie über Äxte mit Holzgriffen, Lanzen und über Speere, die mit Steinspitzen versehen waren. Ihre Nahrung setzte sich überdies aus über 90% Fleisch zusammen. Der pflanzliche Anteil ihres Speiseplanes wie Beeren und anderes Obst, Nüsse, Wurzeln und Stauden fiel dagegen sehr gering aus. Vermutlich litten deshalb auch so viele Neandertaler an der Arthritis. Ihre Lebenserwartung war zudem relativ kurz. Sie schienen, wenn sie nicht durch Jagdverletzungen und -unglücke vorzeitig starben, nicht älter als 40 bis 45 Jahre alt geworden zu sein. Nach einer Studie des Anthropologen Erik Trinkaus aus den USA starben 80% aller Neandertaler, bevor sie das 40. Lebensjahr erreichten. Die meisten der 220 von ihm untersuchten Individuen ereilte der Tod zwischen 20 und 30 Jahren. Paul Pettitt von der Universität von Oxford sieht außerdem im "Fleischhunger" der Neandertaler eine mögliche Ursache für ihr Aussterben: "Sie waren Superjäger. Ich vermute, sie verbrachten die meiste Zeit mit der Jagd auf mittelgroße und große Pflanzenfresser und brachten diese sofort wieder zum Lager zurück. Starben diese Pflanzenfresser aus oder tauchte ein mächtiger Konkurrent auf, waren die Neandertaler nicht flexibel genug, um auf andere Nahrungsressourcen auszuweichen. Gewissermaßen waren sie Opfer ihres eigenen Erfolgs." (in: Dirk Husemann: Die Neandertaler – Genies der Eiszeit. Frankfurt am Main und New York 2005, S. 105-106)

Fanden sie kein lebendes Wild, bedienten sie sich auch des vorgefundenen Aases. Überdies scheinen sie sich, wie Archäologen im Jahr 1999 beweisen konnten, auch bei Nahrungsüberfluss – zumindest vor 100.000 Jahren – von Ihresgleichen ernährt zu haben. So entdeckten amerikanische und französische Wissenschaftler, als sie eine Höhle in der Nähe der Rhone im südöstlichen Frankreich durchforschten, die mit einem primitiven Hammer aufgebrochenen und entfleischten Knochen von sechs Neandertalern (zwei Erwachsenen, zwei Jugendlichen und zwei kleinen Kindern). Ihre Überreste befanden sich zwischen den auf die gleiche Weise aufgebrochenen und entfleischten Knochen von Rentieren. Die in der Höhle lebenden Neandertaler schienen besonders das Knochenmark und das Gehirn ihrer Artgenossen und das der Rentiere als Leckerbissen verspeist zu haben.

Steinwerkzeuge
Abb. 17: Steinwerkzeuge: ein Schaber oder Kratzer, ein Lochwerkzeug (zum Löchermachen in Fellen und Pelzen, um Kleidungsstücke herzustellen) und ein Messer (von links nach rechts)

Was den Homo neanderthalensis betrifft, sind die Wissenschaftler, was seinen geistigen Zustand betrifft, zudem sehr geteilter Meinung. Da gibt es einerseits die Paläontologen und Anthropologen, die ihn für einen geschickten Hersteller von Werkzeugen und für einen ausgezeichneten Jäger halten und ihm die Fähigkeit der Kommunikation mittels der Sprache zugestehen. Und da gibt es andererseits die Paläontologen und Anthropologen, für die die Neandertaler ungeschickte Hersteller von Werkzeugen waren, da sie angeblich keine Auswahl bezüglich der verwendeten Steine trafen und Horn und Knochen zu deren Anfertigung sehr selten gebrauchten (Abb. 17). Außerdem sehen sie in ihnen keine hervorragenden Jäger und sprechen ihnen überdies jede Kreativität ab. Wie zudem die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse ergeben, bedienten sich die Neandertaler zum Töten ihrer Beute eher der Lanzen als der Speere, d. h., die Jagdtiere wurden aus sehr kurzer Distanz, im Nahkampf, getötet oder in Fallen erstochen und durchbohrt.

Die große Streitfrage zwischen diesen unterschiedlichen Lagern ist zudem, ob der Homo neanderthalensis sich bereits Gedanken über den Tod gemacht und seine verstorbenen Angehörigen beerdigt hat.

Neandertaler Kind
Abb. 17b: Neandertaler Kind

Die Entdeckung von Fossilien von körperlich schwer behinderten oder durch das Alter zahnlosen Neandertalern, für die ihre Familie auch, nachdem sie zur Jagd und zur Nahrungssuche nicht mehr zu gebrauchen waren, sorgte, zeigt zumindest, dass der Neandertaler sich bereits um seine Mitmenschen kümmerte und sie nicht, wenn sie nutzlos geworden waren, aus der Gemeinschaft verstieß. So fand man zum Beispiel in einer irakischen Höhle bei Schanidar sechs fast vollständig erhaltengebliebene Skelette des Homo neanderthalensis, bei denen ein männlicher Vertreter, der sich, als er starb, im Erwachsenenalter befand, einen schwer verstümmelten rechten Arm aufwies. Es ist nicht ganz klar, was mit ihm passiert war. Aber Wissenschaftler vermuten, dass er mit dieser körperlichen Behinderung schon seit seiner Geburt behaftet war. Ohne die ständige Unterstützung seiner Familie bzw. seiner Gruppe hätte er jedoch keine Chance gehabt, das Erwachsenenalter zu erreichen. Dass ihm überhaupt das Lebensrecht bei dieser schweren Verstümmelung gewährt wurde, demonstriert deutlich, dass wir den Neandertalern auf keinen Fall Eigenschaften wie Anhänglichkeit und Mitleid absprechen dürfen. Die Neandertaler vor 100.000 Jahren und die vor 40.000 Jahren müssen sich zudem nicht auch in ihrer Gefühlswelt oder Primitivität geglichen haben. Neue Forschungen vermuten sogar, dass der Homo neanderthalensis Musikinstrumente, wenn auch sehr einfache, herstellte und spielte.

trauender Neandertaler
Abb. 18: Ein weiblicher Vertreter des Homo neanderthalensis trauert um einen verstorbenen männlichen Vertreter. Dieses Szenarium fand in einer irakischen Höhle in Schanidar vor 50.000 Jahren statt.

Außerdem sind mittlerweile spezielle Anordnungen von Bärenschädeln und Hirschknochen in Höhlen entdeckt worden, die vermuten lassen, dass die Neandertaler bestimmte magische Jagdriten unternahmen. Überdies fand man einige Bruchstücke von polierten Knochen und Elfenbein, die mit einfachen Gravierungen versehen worden waren. So wies ein Zahn z.B. ein gedrilltes Loch auf, durch das man eine Sehne oder ein aus Pflanzen gedrehtes Band ziehen konnte, um damit den Hals zu schmücken. Mehrere Funde belegen mittlerweile obendrein, dass der Neandertaler seine Toten bestattete und ihnen Grabbeigaben z.B. Blütenkränze in ihre letzte Ruhestätte legte (Abb. 18).

Jedoch überzeugen all diese Funde nicht die Wissenschaftler, die den Neandertalern jegliche Kreativität absprechen und deren kulturelle Leistungen für sehr bescheiden halten. Für sie war der Homo neanderthalensis optimal an die harten und wechselvollen klimatischen Bedingungen der späten Eiszeit angepasst. Als jedoch vor ungefähr 45.000 Jahren der Vorfahre unserer heutigen Menschen, der Homo sapiens, in die zuvor nur von Neandertalern besiedelten Gebiete einwanderte, es also zu Berührungen zwischen diesen unterschiedlichen Menschenspezies kam, da hätten die Neandertaler den Neuankömmlingen nur alles abgeschaut wie z.B. die Herstellung von Schmuck und die Bestattung der Verstorbenen.

Wie immer es sich auch in Wirklichkeit zugetragen hat, eines ist sicher: durch die Neuankömmlinge wurden die Neandertaler immer mehr verdrängt. Vor 35.000 Jahren fand man sie nur noch in vereinzelten Nischen in Westeuropa. Ihre Jagdgebiete waren räumlich sehr eingeschränkt worden und durch die Klimaveränderungen waren die Großtiere, von denen sie sich ernährt hatten, verschwunden. Außerdem war es für sie sehr schwer geworden, Geschlechtsgenossen zu finden, was sich besonders in ihrer geringen Geburtenrate zeigte. Vor 30.000 Jahren gab es kaum noch Neandertaler. Nur noch in wenigen, schwer zugänglichen Regionen z.B. in einigen Höhlen in den Alpen, in Kroatien und in Südspanien lebten noch einige Vertreter des Homo neanderthalensis, die vor angeblich 28.000 Jahren schließlich auch von dort für immer verschwanden. Neuere Datierungen von Knochen der Neandertaler haben allerdings gezeigt, dass die Neandertaler vermutlich bereits vor 41.030 bis 39.260 Jahren ausstarben. Schauen Sie sich hierzu unbedingt das im Lese- und Videotipp-Bereich erwähnte Video: "When Neanderthals and Modern Humans Meet" an.

Homo floresiensis
Abb. 19: Ein männlicher Vertreter der Gattung Homo floresiensis nach der Jagd

Im September 2003 entdeckten australische Wissenschaftler auf der indonesischen Insel Flores eine weitere Spezies der Gattung Homo, die, wie ihr Genmaterial deutlich zeigt, mit dem Homo sapiens nicht verwandt war. Ihre Vertreter lebten bis vor 50.000 Jahren auf dieser Insel, nach der sie mittlerweile die wissenschaftliche Bezeichnung „Homo floresiensis“ erhielten. Aufgrund der gefundenen Knochen eines weiblichen Homo floresiensis, der bei seinem Tod das Alter von ungefähr 30 Jahren aufwies, ist eine Rekonstruktion dieser Menschenspezies möglich. Die erwachsene, unbehaarte und dunkelhäutige Frau dieser Spezies weist eine Körpergröße von 91 cm auf und besitzt einen kleinen, kinnlosen Kopf, der die Größe einer Grapefrucht hat (380 ml) – die Größe des Schädels lässt somit nicht zugleich auf die geistige Kapazität seines Trägers schließen; die Paläontologen haben diesbezüglich also schnellstens umzudenken! – mit einer flachen Nase, eingesunkenen Augen, starkem Oberaugenwulst und einem vorstehenden Mund. Der erhaltene Hüftknochen ähnelt dem von den Australopithecinen. Letzteres und das kleine Gehirn sprechen für einen Australopithecus, die Proportionen und die Form des Schädels jedoch für einen frühen Homo erectus. Laut Chris Stringer sieht man in Homo floresiensis in der Fachwelt mittlerweile einen späten Nachfahren von Frühmenschen, „wohl eine Form des H. erectus, die wahrscheinlich schon vor einer Million Jahren auf die Insel kam ... Räumliche Isolation und Inzucht ließen die Nachkommen dieser Gruppe immer kleinwüchsiger werden ... In ihrer abgeschiedenen Welt überdauerten die merkwürdigen Frühmenschen viel länger als H. erectus in Asien oder selbst der Neandertaler in Europa.“ (in: Chris Stringer: Der Zwergmensch von Flores, S. 15, in: Spektrum der Wissenschaft Januar 2005). Seit 2019 gibt es übrigens einen weiteren kleinwüchsigen Frühmenschen, den Homo luzonensis, dessen Knochen im Fuß wie beim Homo floresiensis eher auf eine Verwandtschaft mit dem Australopithecus als auf eine Verwandtschaft mit dem Homo erectus schließen lässt. Könnte es sein, dass in der Tat bereits vor 3,3 Millionen Jahren Vertreter des Australopithecus anstatt Vertreter des Homo erectus von Afrika nach Eurasien auswanderten? Schauen Sie sich bitte folgenden Bericht an: Homo luzonensis.

Wie weitere Grabungen mittlerweile erwiesen haben, stellte Homo floresiensis nicht nur Steinwerkzeuge her, sondern beherrschte auch die Fähigkeit, Feuer zu entzünden. In Gruppen organisiert begab er sich auf die Jagd nach Fleisch (Abb.19). Wir wissen nicht, ob das Verhältnis zwischen Homo floresiensis und Homo sapiens – Letzterer begann diese indonesische Insel im Zeitraum vor 55.000 und 35.000 Jahren ebenfalls zu kolonisieren – friedlich oder feindlich war. Es sieht jedoch leider wieder einmal so aus, dass auch im Falle von Homo floresiensis wir, also der Homo sapiens, für dessen Aussterben verantwortlich waren.

Im Jahr 2008 wurde in Sibirien außerdem ein Knochenfragment des fünften Fingers einer weiteren neuen Menschenspezies, des Denisova-Menschen, entdeckt, die bis vor 30.000 Jahren existierte. DNA-Analysen haben ergeben, dass diese Menschenspezies mit den Neandertalern und dem Homo sapiens vor ungefähr einer Million Jahren einen gemeinsamen Vorfahren hatte. Lesen Sie hierzu bitte den interessanten Artikel von Paul Rincon (BBC). Laut Svante Pääbo sollen die Denisova-Menschen mit unseren Vorfahren gemeinsame Nachkommen produziert haben. So sollen ungefähr 5 bis 7% der DNA der Melanesier von den Denisovans stammen. (in: Alison George: The man rewriting human evolution, in: NewScientist, 3 September 2011, No 2828, pp. 30-31)

Und die Entdeckung neuer Menschenformen geht weiter. Im März 2012 machten die Rotwild-Höhlen-Menschen, die nach ihrer Fundstätte in China genannt worden sind und die noch vor 11.000 Jahren existierten, Schlagzeilen. Noch ist jedoch nicht geklärt, welcher Spezies sie zugeordnet werden müssen, dem Homo sapiens oder dem Homo neanderthalensis, oder ob sie sogar eine eigene neue Spezies darstellen.

Der Schädel einer Säbelzahnkatze
Abb. 19a: Der Schädel einer Säbelzahnkatze (Smilodon californicus) (Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt am Main): In Europa verschwanden die letzten Säbelzahnkatzen bereits vor 40.000 Jahren, während sie in Amerika erst vor 10.000 Jahren ausstarben.

Informationen über diese Rotwild-Höhlen-Menschen finden Sie hier:

Forscher um Svante Pääbo im Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben im Jahr 2010 zudem festgestellt, dass unser heutiges Genom 1 bis 4 Prozent mit dem Genom des Neandertalers gemeinsam hat. Ursprünglich galt dies nur für alle Nichtafrikaner und wies angeblich daraufhin, dass Homo sapiens bei seiner ersten Auswanderungswelle aus Afrika irgendwann vor 130.000 bis 110.000 Jahren und seiner zweiten Auswanderungswelle vor rund 70.000 oder 60.000 Jahren mit den Neandertalern im Nahen Osten gemeinsamen Nachwuchs produzierte. In der Zwischenzeit soll die erste Begegnung zwischen unseren Vorfahren und den Neandertalern bereits vor 470.000 und 220.000 Jahren stattgefunden haben (siehe: We met Neanderthals way earlier than we thought). Mittlerweile wissen wir auch, dass auch das Genom der Afrikaner Gemeinsamkeiten mit dem Genom des Neandertalers aufweist (schauen Sie sich hierzu "Tales of Human History told by Neandertal and Denisovan DNA that persist in modern Humans" an!). Laut der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Definition für "Spezies" können sich jedoch verschiedene Spezies wie z. B. der Homo sapiens und der Homo neanderthalensis gar nicht kreuzen und gesunden, fruchtbaren Nachwuchs produzieren. Sexuelle Kontakte wird es mit Sicherheit zwischen den Neandertalern und uns gegeben haben, aber gingen daraus gesunde und fruchtbare Kinder hervor? Die Denisova-Menschen waren von uns genetisch betrachtet laut Dave Micklos noch weiter entfernt. Vor 1 bis 1,2 Millionen Jahren trennten sich die Denisova-Menschen von dem gemeinsamen Vorfahren des Homo neanderthalensis und des Homo sapiens. Einige Genetiker sprechen hingegen von einem gemeinsamen Vorfahren des Neandertalers und des Denisova-Menschen vor 500.000 bis 350.000 Jahren, die beide mit dem Homo sapiens einen gemeinsamen Vorfahren vor 600.000 Jahren besaßen. Es kommt im Prinzip ganz darauf an, welche DNA jene untersucht hatten: die DNA im Zellkern bei dem X-Chromosom oder die DNA in den Mitochondrien bzw. die DNA im Zellkern bei dem Y-Chromosom. Gesunden und fruchtbaren Nachwuchs konnte es zwischen diesen "drei Spezies" eigentlich nur geben, wenn sie im Prinzip alle noch nur eine einzige Spezies darstellten. Sind z. B. die Denisova-Menschen und die Neandertaler eine Spezies, denn es soll ja laut diesem Artikel zwischen ihnen Nachwuchs und zwar, wie es klingt, fruchtbaren gegeben haben, obwohl das Mädchen, deren Mutter eine Neandertalerin und deren Vater ein Denisova-Mensch waren, bereits mit 13 Jahren starb und keinen Nachwuchs produzierte? Übrigens sind laut der DNA in unseren Mitochondrien alle unsere Mütter Homo sapiens gewesen. Man geht daher mittlerweile davon aus, dass nur die Kinder aus einer Beziehung zwischen einer Homo sapiens und einem Homo neanderthalensis am Leben geblieben sind und Nachwuchs produzieren konnten. Kinder aus Beziehungen zwischen Neandertalerinnen und Männern von Homo sapiens scheint es hingegen nicht gegeben zu haben, oder diese Kinder waren alle Söhne, die wiederum Kinder mit weiblichen Vertretern von Homo sapiens hatten. Es ist sehr gut möglich, dass Neandertalerinnen mit männlichen Vertretern von Homo sapiens keine Kinder mehr zeugen konnten. Wir befinden uns also vor rund 40.000 Jahren bereits mitten in der Trennung zweier Spezies, des Homo sapiens und des Homo neanderthalensis, die nach der biologischen Definition einer Spezies keine gemeinsamen Kinder, die zudem noch gesund und fertil waren, mehr produzieren konnten.


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