Homo habilis und Homo naledi
Neben den Australopithecinen existierte vor ungefähr 2,4 Millionen Jahren ein Vertreter der Gattung Homo, Homo habilis (Abb. 14c), der auf unserer Erde bereits vor 1,4 Millionen Jahren wieder ausstarb und der sich von der Gattung Australopithecus durch sein größeres Gehirn (Volumen von 650 bis 800 ml), durch seine längeren Beine und seine kürzeren Arme im Verhältnis zu seinem Gesamtkörper und durch seine menschenähnlicheren Gesichtszüge unterschied. Seine längeren Beine werden ihn zudem zu einer schnelleren Fortbewegung als die bisherigen Frühmenschen befähigt haben. Trotzdem wird auch er noch ein guter Baumkletterer gewesen sein. Die neben ihm oder später auftretenden Homo rudolfensis und Homo ergaster werden von den meisten Wissenschaftlern mittlerweile entweder als weitere Erscheinungsformen vom Homo habilis oder vom Homo erectus, die in anderen Regionen Ost- und Südafrikas lebten, betrachtet.
Dieser früheste Vertreter der Gattung "Homo" wurde zum ersten Mal im Jahre 1959 in der Olduvai Schlucht in Ostafrika entdeckt. Da der Homo habilis weiterhin viele Gemeinsamkeiten mit den Australopithecinen aufweist wie z. B. die Oberschenkel, Füße und auch die Vorbackenzähne, war seine Einordnung in die Gattung "Homo" bereits seit seiner offiziellen Erstbeschreibung im Jahr 1964 in der Paläoanthropologie sehr umstritten. Daran hat sich nichts geändert. Denn seit 2012 erlebt die von einigen Forschern vertretene Auffassung, Homo habilis sei den Australopithecinen zuzuordnen und daher als "Australopithecus habilis" zu bezeichnen, erneuten Auftrieb. Schauen Sie sich hierzu bitte den Vortrag von Prof. Bernard Wood an: The Origins of the Genus Homo. So ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern, was die Größe und das Gewicht betrifft, auch beim Homo habilis noch erheblich. Die Weibchen wiesen nämlich nur ein Gewicht von 30 bis 39 kg, die Männchen dagegen von 50 bis 90 kg auf. Außerdem bestand der Hauptanteil ihrer Nahrung ebenfalls noch aus Pflanzen, obwohl, durch die Klimaveränderungen bedingt, der Fleischanteil allmählich beträchtlich zunahm. Mit Sicherheit hat der Homo habilis noch nicht die Bezeichnung „Jäger“ verdient, denn er ernährte sich eher von Aas als von selbst erlegten Tieren. Seinen Namen „Homo habilis“, der mit „geschickter Mensch“ übersetzt werden muss, verdankte er der Tatsache, dass er bereits einfache Werkzeuge aus Stein fertigen konnte. Mit den faustgerechten Steinsplittern aus Feuerstein oder Obsidian, die scharfe Kanten aufwiesen, konnte er die zähe Haut der bereits verstorbenen Tiere durchschneiden, um an das Fleisch zu gelangen, und auch die Knochen aufschlagen, um das rote Knochenmark zu gewinnen. Mittlerweile wissen wir allerdings, dass die Verwendung von Steinwerkzeugen bis auf mindestens 3,3 Millionen Jahre zurückreicht, das heißt, auch die Australopithecinen benutzten bereits Steinwerkzeuge. Zudem glauben einige Anthropologen, dass beim Homo habilis schon die Entwicklung der Sprache zur Kommunikation mit Seinesgleichen begann. Wie neueste archäologische Funde zeigen, existierte neben ihm bereits der Homo erectus, mit dem die Menschheit tatsächlich evolutionsmäßig einen gewaltigen Schritt nach vorne machte.
Seit 2015 gibt es nun eine weitere ausgestorbene Art der Gattung Homo, den Homo naledi (= Mensch aus der Stern-Höhle), von dem bereits im Jahr 2013 Fossilien gefunden wurden und dessen Alter laut Professor Lee Berger anfänglich auf ungefähr 3 Millionen Jahre geschätzt wurde. Mittlerweile wissen wir, dass Homo naledi vor 230.000 bis 330.000 Jahren lebte. Die durchschnittliche Körpergröße des Homo naledi betrug ungefähr 1,50 m, er wies ein Gewicht zwischen 40 bis 55 kg und ein Gehirnvolumen zwischen 450 bis 550 cm3, kleine Zähne, lange Beine, Füße, die mehr den unsrigen als den der Australopithecinen gleichen, eine eher primitive Hüfte, die an die der Australopithecinen erinnert, und gebogene Fingerknochen auf. Letzteres zeigt, dass er noch gut auf Bäumen klettern konnte. Aber Homo naledi scheint seine verstorbenen Gruppenmitglieder bereits rituell beerdigt zu haben, das heißt, er war schon zu symbolischem Denken fähig, was wir im Allgemeinen erst beim Homo sapiens vor 200.000 Jahren vorzufinden glaubten. In der Tat spricht alles dafür, dass Homo naledi seine verstorbenen Angehörigen in die Stern-Höhle mit der Absicht trug, um sie dort beizusetzen. Wenn Sie sich den obigen Vortrag des Professors Bernard Wood über das Genus Homo angeschaut haben, dann werden Sie vermutlich die gleiche Frage wie ich haben: Gehört der Homo naledi zum Genus Homo? Auf der Webseite des Smithsonian National Museum of Natural History finden Sie hierzu folgende Antwort: "The placement of Homo naledi in the evolutionary tree of the genus Homo is currently unresolved. Homo naledi possessed a mixture of traits that are Australopithecus-like (particularly in the pelvis and shoulder) and Homo-like (particularly in the hands and feet, and the size of its brain). Further comparative research is needed in order to learn more about how Homo naledi was related to Homo erectus and other species of the genus Homo." Was das Gehirnvolumen von Homo naledi betrifft, gehört Letzterer wie auch der Homo floresiensis und der Homo luzonensis laut den Erklärungen von Bernard Wood wohl eher zu den Australopithecinen.
- Lese-/Videotipps:
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- Josef H. Reichholf: Das Rätsel der Menschwerdung – Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel der Natur, München 2004 (3. Auflage), S. 133, über die Suche einer Homo-habilis-Gruppe nach Aas als zusätzlicher Nahrungsquelle: "Die nächsten Stunden [nachdem die Homo-habilis-Gruppe durch Geier auf ein Aas aufmerksam gemacht worden war] waren die entscheidenen. Gelang es der Homo-habilis-Gruppe, an das tote Tier zu kommen, bevor es von Hyänen oder Löwen oder beiden entdeckt wurde, dann hatten sie gute Chancen, die besten Stücke abzubekommen. Denn die Geier mußten warten. Die zähe Haut leistete zu viel elastischen Widerstand. Sie schützte das Fleisch vor den Schmeißfliegen, die gleichfalls schon in Scharen angekommen waren. Die inneren Zersetzungsprozesse würden erst nach Stunden oder am nächsten Tag die Haut am After und an anderen dünnen Stellen so gespannt haben, daß es den Geierschnäbeln möglich würde, sie aufzureißen. So lange blieben aber auch wesentliche Teile des Fleisches in gutem Zustand. Diese Stunden zwischen Eintritt des Todes und Beginn der Verwesung müssen die wichtigsten für die Frühmenschengruppe gewesen sein. Gelang es ihnen, rechtzeitig anzukommen, war ihnen eine Menge hochwertiger Nahrung sicher. Kamen sie zu spät, war das Fleisch verdorben und nur noch für Aasfresser und Geier zu verwerten. Je mehr die beginnende Verwesung Geruch verbreitete, um so größer wurde die Gefahr, daß Löwen und Hyänen angelockt wurden."
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