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Die Entwicklung der Menschheit

Die Australopithecinen

Australopithecus anamensis
Abb. 13a: Rekonstruktion eines Vertreters des Australopithecus anamensis
Kenyanthropus platyops
Abb. 13b: Rekonstruktion eines Vertreters des Kenyanthropus platyops
Australopithecus afarensis
Abb. 13c: Rekonstruktion eines männlichen Vertreters des Australopithecus afarensis, der vor 3,2 Millionen Jahren in den Savannen Süd- und Ostafrikas lebte (Werk des Künstlers John Gurche).

Die nächste Generation der Homininae (der Unterfamilie der Menschenaffen) stellten die Australopithecinen dar, die im Gegensatz zu den Ardipithecinen besser an ein Leben in trockeneren Regionen, wie es mittlerweile der Klimawechsel erforderte, angepasst waren. Vor ungefähr 4,2 bis 1,9 Millionen Jahren streiften sie durch die savannenähnlichen Gebiete Ost- und Südafrikas und brachten eine Reihe von unterschiedlichen Vertretern ihrer Gattung hervor. So unterscheidet man zwischen den älteren und feingliedrigeren Australopithecinen wie Australopithecus anamensis (Abb. 13a), Australopithecus afarensis (Abbn. 13c und 13d), Australopithecus prometheus, Australopithecus africanus (Abb. 14a) und Australopithecus sediba und den jüngeren und robuster gebauten Australopithecinen wie Australopithecus aethiopicus, Australopithecus robustus und Australopithecus boisei (Abb. 14b). Bei einigen Wissenschaftlern werden die robuster gebauten Australopithecinen auch einer eigenen Gattung, nämlich den Paranthropen, zugeordnet. Neben ihnen existierte noch der Kenyanthropus platyops (Abb. 13b), der "flachgesichtige Mensch aus Kenia", der vor 3,5 bis 3,3 Millionen Jahren auf unserer Erde lebte, der Australopithecus bahrelghazali und der Australopithecus deyiremeda. Bisher ist nicht geklärt, ob Kenyanthropus platyops eine Sonderform der Gattung Australopithecus oder eine eigenständige Gattung darstellt.

Australopithecus afarensis
Abb. 13d: Ein weiterer Vertreter des Australopithecus afarensis
Australopithecus africanus
Abb. 14a: Australopithecus africanus, mit Stock und Knochen bewaffnet, lebte vor 2,5 Millionen Jahren auf unserer Erde. (Werk des Künstlers Z. Burian)
Australopithecus boisei
Abb. 14b: Australopithecus boisei

Allen gemeinsam war ihr aufrechter Gang, ihre relativ zum Rumpf kurzen Beine und langen Arme - mit Ausnahme des Australopithecus prometheus -, ihr menschenähnliches Gebiss und ihre menschenähnlichen Hände, die jedoch etwas gekrümmter als unsere waren und die sich immer noch gut zum Beklettern von Bäumen eigneten. Letztere Fähigkeit war beim Sammeln von Früchten und Laub und besonders bei der Flucht vor den vielen Raubtieren der Savanne geradezu lebensnotwendig.

Man kann sagen, dass die Australopithecinen vom Hals aufwärts noch sehr den Affen glichen, während ihr Körper Hals abwärts viele Gemeinsamkeiten mit dem unsrigen aufwies. Das Gehirnvolumen der Australopithecinen war mit 440 bis 600 ml etwas größer als das der Schimpansen mit ihren 400 ml, aber noch weit entfernt von den 1450 ml der heutigen Menschen. Die Vertreter der Gattung Australopithecus ernährten sich von Pflanzen wie Gräsern, Blättern, Nüssen, Wurzeln, Stauden, Beeren etc. wie auch von Fleisch (vermutlich Aas).

Ihre Lebensspanne umfasste ungefähr 22 Jahre, wobei die Kindheit wie bei den Menschenaffen in kürzerer Zeit als bei uns durchschritten wurde. Außerdem schienen dominante Männchen über einen Harem von ihnen körperlich unterlegenen Weibchen geherrscht zu haben. Sie benutzten jedoch bereits Steine als Hilfsmittel, um Fleisch von den Knochen von Aas abzuschaben. Vermutlich dienten ihnen die Knochen von verstorbenen Tieren oder Hölzer überdies zur Verteidigung gegen ihre Feinde.

Australopithecus anamensis (Abb. 13a) stellt bei den Australopithecinen zurzeit noch den ältesten Vertreter dar und existierte vor 4,2 bis mindestens 3,8 Millionen Jahren. Die nächste bekannte Generation der Australopithecinen bildet der Australopithecus afarensis (Abbn. 13c und 13d), der vor 3,8 bis 2,9 Millionen Jahren in den Savannen Ost- und Südafrikas lebte. Besondere Berühmtheit erlangte der Fund eines weiblichen Vertreters dieser Spezies in Hadar, Äthiopien, dessen Skelett zu 40% erhalten geblieben ist. Unter dem Namen „Lucy“ erlangte dieser weibliche Australopithecus, der vor 3,2 Millionen Jahren lebte, weltweite Beachtung. Lucy war zur Zeit ihres Todes laut Donald Johanson ungefähr 10 oder 11 Jahre alt. Sie war zudem nur knapp über 1 m groß und wies ein Gewicht von ungefähr 30 kg auf. Die männlichen Vertreter ihrer Art erreichten dagegen eine Körpergröße von 1,50 m und ein Gewicht von 45 bis 50 kg. Viele Paläontologen sehen in Australopithecus afarensis mittlerweile den Vorfahren für den Homo habilis und damit indirekt auch für den Homo sapiens.

Der Australopithecus africanus (Abb. 14a), der vor 3 bis 2,4 Millionen Jahren lebte, stellt laut der Paläontologin Meave Leakey den direkten Nachfahren des älteren Australopithecus anamensis dar. Bei ihm sind die Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern nicht mehr so gravierend wie beim Australopithecus anamensis und beim Australopithecus afarensis.

Um diese Zeitepoche, also vor 3,3 bis 2,4 Millionen Jahren, wurde das Klima durch eine anbrechende Eiszeit in Afrika zudem noch trockener. Schauen Sie sich hierzu unbedingt das folgende Video der Professorin Madelaine Böhme an: Wüstenbildung trieb Säugetiere aus Eurasien nach Afrika. War der Australopithecus oder ein Vorfahre des Homo erectus der Erste gewesen, der vor 3,3 Millionen Jahren die erste große Chance einer Auswanderung von Afrika nach Eurasien nutzte? War er einfach den Herden der Tiere gefolgt, von denen er sich angefangen hatte zu ernähren? Und waren der Homo floresiensis und der Homo luzonensis Nachfahren dieser aus Afrika ausgewanderten Australopithecinen oder Vorfahren des Homo erectus? Außerdem sind mittlerweile Steinwerkzeuge in Indien und in China gefunden worden, die auf unsere Vorfahren dort um 2,6 Millionen bzw. 2,4 Millionen Jahren hinweisen.

Neue Anforderungen wurden in dieser Trockenzeit an Pflanzen und Tiere gleichermaßen gestellt. Bei den Australopithecinen traten in dieser Situation die robusteren Vertreter auf, die bis vor 1 Million Jahren im Osten (Australopithecus boisei, Abb. 14b) und im Süden Afrikas (Australopithecus robustus) existierten. Im Unterschied zu den älteren und feingliedrigeren Australopithecinen wiesen sie mit 500 bis 600 ml ein etwas größeres Gehirnvolumen als diese mit 438 bis 485 ml auf. Zudem übertrafen sie Letztere mit ihrer Größe von 1,45 bis 1,65 m und ihrem Gewicht von 40 bis 90 kg. Ihre Nahrung setzte sich hauptsächlich aus Gräsern und aus groben Pflanzenteilen wie Wurzeln, Stauden, Rinde, Samen und Nüssen zusammen und erforderte einen kräftigen Kauapparat mit breiten Backenzähnen. Zusätzlich ernährten sie sich von Termiten und anderen Insekten. Mit Sicherheit stellen die robusteren Australopithecinen keinen Vorfahren des Homo sapiens dar, denn sie starben vor rund 1 Million Jahren aus.

Während sich die robusteren Vertreter der Australopithecinen in dem trockeneren Klima also auf z.T. sehr schwer verdauliche Pflanzenkost spezialisierten, zog der feingliedriger gebaute Australopithecus garhi, der ebenfalls vor 2,5 Millionen Jahren lebte, fleischliche Kost vor. Er erjagte vermutlich jedoch nicht selbst das Wild, sondern bediente sich der Überreste der von Raubtieren erlegten Antilopen, Wildpferde oder anderer Opfer. Von deren Knochen schabte Australopithecus garhi das Fleisch mit Hilfe von aus Steinen gefertigten Werkzeugen ab und zertrümmerte diese außerdem, um an das nahrhafte Knochenmark zu gelangen. Erstaunlich ist zudem, dass er die Steine, aus denen er seine noch einfachen Werkzeuge hergestellt hatte, nicht unbedingt in der Gegend fand, in der er sich zurzeit aufhielt. Er hatte sich extra auf die Suche nach diesen begeben müssen. Im Jahr 2008 wurde ein weiterer Vertreter der Gattung Australopithecus, Australopithecus sediba, entdeckt, der vor 1,977 Millionen Jahren lebte und der bereits ebenfalls Werkzeuge verwendete. Seit September 2011 glauben einige Wissenschaftler, dass er das Bindeglied zwischen dem Australopithecus afarensis und uns heutigen Menschen darstellt.

Durch den reichlichen Fleischverzehr vergrößerte sich im Laufe der nächsten Generationen das Gehirnvolumen des Australopithecus sediba und des Australopithecus garhi, der von einer anderen Gruppe von Wissenschaftlern für das wahre Bindeglied zwischen dem Australopithecus afarensis und dem Homo sapiens betrachtet wird. Neben ihm und dem Australopithecus sediba existierte um diese Zeit bereits der erste bekannte Vertreter der Gattung Homo, der Homo habilis, auf dessen Speiseplan die energiereiche und hochfettige Fleischnahrung ebenfalls zu finden war.

P.S.: Haben Sie schon einmal etwas von dem Piltdown-Menschen gehört? Anfang des 20. Jahrhunderts waren sich die englischen Paläontologen und Anthropologen absolut sicher, dass die Menschwerdung nur in Großbritannien begonnen haben konnte und nicht in Afrika. Darwin tippte auf Afrika, weil dort heute die hohen Primaten wie die Schimpansen und Gorillas leben. Als dann im Jahr 1912 die Fragmente eines relativ großen Schädels und eines Kiefers eines angeblichen Vorfahren von uns, des Piltdown-Menschen, von einem gewissen Charles Dawson (1864-1916) im Südosten von England entdeckt wurden, bestätigte dies nur die allgemeine Theorie der überwiegenden Mehrheit der damaligen Paläontologen und Anthropologen, dass unsere Vorfahren sich erstens durch ihr großes Gehirn von den Uraffen unterschieden und dass sie zweitens sich nur in Europa entwickelt haben konnten. Als der australische Paläontologe und Anthropologe und Chirurg Raymond Dart im Jahr 1924 in der Tat einen Schädel eines unserer entfernten Verwandten, des Australopithecus africanus, entdeckte, dessen Gehirngröße noch der der Affen glich, wurde dieser von seinen Kollegen für Jahrzehnte kritisiert und ignoriert. Man machte sich zudem über ihn und seinen Fund lustig. Wie konnte er denken, dass unsere Vorfahren so kleine Gehirne wie die Affen aufwiesen? Wie sich jedoch im Jahr 1953 zeigte, war der Schädel des Piltdown-Menschen ein absoluter Schwindel gewesen. Ob es Charles Dawson allein gewesen ist oder ob er Hilfe von Arthur Smith Woodward, dem Kustos der geologischen Abteilung des Britischen Museums, erhalten hatte, konnte nie geklärt werden. Der Schädel setzte sich aus Bruchstücken eines Schädels eines Menschen aus dem Mittelalter zusammen, der Kiefer stammte von einem Orang-Utan und die Zähne von einem Schimpansen, die mit einer Feile bearbeitet wurden, um ihnen die Form zu geben, die man bei den Frühmenschen erwartete.


Lese-/Videotipps:

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