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Alltagsgeschichte des Mittelalters

IV. 1.3. Fastenzeit

Fischspeisen spielten freitags und in der Fastenzeit, die von Aschermittwoch bis Karfreitag währte, eine wichtige Rolle. Schließlich war ja der Verzehr von Fleisch, Milch, Butter, Eiern und Käse in dieser Zeit strengstens untersagt. Die Adligen konnten in ihrem Forst mit Angel, Netz oder Reuse für frischen Fisch sorgen oder besaßen in ihren Burganlagen sogar Fischteiche, in denen vorwiegend Karpfen schwammen. Unter den frischen Süßwasserfischen war der Hecht am beliebtesten, mit Abstand folgten Karpfen und Lachs. Als ausgesprochene Delikatessen wurden Aal und Forelle angesehen. Für Otto-Normalverbraucher blieb aber, da das Betreten des herrschaftlichen Forstes für sie verboten war, nur noch der gesalzene Fisch. Die Heringe an der Südküste von Schonen wurden nach dem Fang an Ort und Stelle gleich in eine Salzlauge gelegt oder geräuchert. Neben diesem stark gesalzenen Hering gab es noch den Klipp- oder Stockfisch, eigentlich getrockneter Kabeljau, der nicht mehr verderben konnte, weil man ihm in längerer Trocknung auf den Klippen Norwegens alles Wasser entzogen hatte. Hart wie ein Brett kam er mit den Heringen auf den großen Handelswegen in die mittel- und süddeutschen Städte.

Aber aus diesem Stockfisch war kein großes Fischgericht mehr zu zaubern. Man konnte ihn nur zerschneiden und zum Zubereiten von Fischsuppen verwenden. Eingesalzener Wal lieferte den "Fastenspeck", der hauptsächlich von den Armen verwertet wurde. Denn die Beschaffung von Fisch war für die ärmere Bevölkerung schwierig und teuer.

Wie Abaelard uns mitteilt, war Fleisch billiger zu erstehen als Fisch. Ganz anders sah dabei der gedeckte Tisch bei der reichen Bevölkerung und der Geistlichkeit zur Fastenzeit aus. Der italienische Geschichtsschreiber Salimbene von Parma berichtet über eine festliche Fastenmahlzeit im Franziskanerkloster von Sens im Jahr 1248, zu der der französische König Ludwig IX. († 1270) die Obersten des Franziskanerordens eingeladen hatte. Salimbene gehörte zu den Gästen: "Wir bekamen also an jenem Tage zuerst Kirschen, dann ganz weißes Brot. Auch wurde Wein reichlich und von vorzüglicher Qualität aufgetragen, wie es königlicher Pracht gemäß war. Dann bekamen wir junge Bohnen in Milch gekocht, Fische und Krebse, Aalpasteten, Reis mit Mandelmilch und gestoßenem Zimt, gebratene Aale in einer ausgezeichneten Sauce, Torten und Quarkkäse ..." (in: Joachim Bumke, 1. Bd. ebenda, S. 245)

Bei besonderen Anlässen wurden beim Adel und bei der Geistlichkeit in bezug auf Essensvorschriften in der Fastenzeit schon ab und zu beide Augen zugedrückt. Außerdem waren gerade die Geistlichen und Adligen sehr einfallsreich, wenn es um Erweiterungen im Fastenspeiseplan ging. So durfte in Frankreich im 14. Jh. von Aschermittwoch bis Karfreitag das Fleisch neugeborener Hasen oder ungeborener Kaninchen verspeist werden. Die trächtigen Kaninchen konnte man sich in Klöstern besorgen. Ein Bischof von Mende erklärte auch Hasenschwänze für erlaubt. Darauf hackten Kartäusermönche von Villeneuve-en-Avignon Hasenschwänze klein, salzten und trockneten sie und stellten so eine Art Fastenwurst her. Bevor die römische Kirche 1491 den Genuß von Eiern, Milch und Milchprodukten zur Fastenzeit erlaubte, wurde für diese Nahrungsmittel Ersatz gesucht und gefunden. Mandeln und die aus ihnen bereitete Mandelmilch spielten hierbei eine bedeutende Rolle. Ein Rezept für Mandelmilch ist bei Hans Wiswe nachzulesen:
"Die Mandeln werden gebrüht, enthülst, gewaschen und unter Zusatz von etwas Wasser oder Rosenwasser in einem steinernen Mörser mit einem Holzstößel oder auf einem Reibstein zerkleinert. Will man die Mandelmilch zum Kochen brauchen, so verrührt man das Zerkleinerte mit Brunnenwasser oder Kuhmilch (natürlich nicht in der Fastenzeit!) und drückt das Gemisch durch ein Seihtuch. Als Krankenspeise wird die Mandelmilch mit Grieß, Weißbrot, Weinbeeren oder Gerste gekocht." (in: Hans Wiswe, Kulturgeschichte der Kochkunst – Kochbücher und Rezepte aus zwei Jahrtausenden, München 1970, S. 144)

Mandelmilch wurde auch mit gestoßenem Reis gekocht oder gebacken oder mit Mehl und Salz zu einem Teig verarbeitet. Durch Eindicken konnte ein Ersatzkäse gewonnen werden, und Mandelkäse mit Safran versetzt ergab Mandelbutter. Eierersatz wurde ebenfalls aus Mandelmilch oder aus Hechtroggen hergestellt. Und Eleonore von Aquitanien († 1204), eine bedeutende Herrscherinnenpersönlichkeit des 12. Jhs., verwendete Mandelmilch sogar zur Schönheitspflege. Das trotz dieser Fastenperiode die Fleischgerichte einen besonderen Stellenwert in der mittelalterlichen Küche einnahmen, zeigen deutlich die "falschen" Fleischspeisen, die in jedem Rezeptbuch der damaligen Zeit zu finden sind. Das Rezept für einen "falschen" Rehbraten aus dem 15. Jh. lautete folgendermaßen: "In gutem Wein gekochte Feigen und Weinbeeren werden fein gehackt, mit Mehl vermischt, gesalzen und gewürzt, am Spieß gebraten, mit Mandeln besteckt und mit Zucker (Irrtum des Autors – mit Honig bestrichen) und Ingwer bestreut und zuletzt mit Butter begossen." (in: Hans Wiswe, ebenda, S. 88)


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