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Alltagsgeschichte des Mittelalters

IV. 1.4. Ernährungsverhalten der mittelalterlichen Bevölkerung

Im Mittelalter nahm man fetthaltigere Nahrungsmittel, als wir es heute gewohnt sind, zu sich. Auch mengenmäßig konsumierten die Menschen pro Mahlzeit damals mehr als wir. Gerade in den unteren Bevölkerungsschichten (fr)aß man sich, wenn einmal genügend Nahrung vorhanden war, geradezu bis oben hin voll. Denn die Armen konnten nicht wissen, wie lange sie auf das nächste üppige Mahl zu warten hatten. Durch die vielen körperlichen Tätigkeiten und Schwerstarbeiten war der Kalorienverbrauch pro Tag sowieso bedeutend höher als bei uns.

Die täglichen Mahlzeiten bestanden im allgemeinen aus dem Frühstück und den zwei Hauptmahlzeiten. Zum Frühstück aß man eine Suppe oder einen Brei oder gab sich mit einer Schüssel Milch zufrieden. Die erste Hauptmahlzeit fand am Vormittag, die zweite Hauptmahlzeit bei Sonnenuntergang statt. Da die Tage im Sommer länger als im Winter währen, konnte in der warmen Jahreszeit eventuell noch zwischen erster und zweiter Hauptmahlzeit eine kleine Zwischenmahlzeit aus Brot und Käse eingeschoben werden. Auch ein Grundherr hatte sich bei seinem Gesinde an diese Essenszeiten zu halten. So stellte der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg († 1504) für seine Leute folgenden Speiseplan auf: "Jedweder Tagwerker, er arbeite auf dem Felde oder sonst, erhält morgens eine Suppe samt Brot, zum Imbiß (erste Mahlzeit) eine starke Suppe (reichhaltige Suppe), gut Fleisch und Gemüse und einen halben Krausen (Krug) gemeinen Weins, abends Fleisch und Brot oder eine starke Suppe." (in: Edith Ennen, Frauen im Mittelalter, München 1984, S. 224)

Auf dem Speiseplan des Gesindes vom Zehnthof der bayerischen Herzöge in Heilbronn war 1483 folgendes zu finden: "Weiß- und Mischkornbrot; Gerste, Hafer und Hafermehl, Erbsen, Gries, Hirse; Salz; Schweine- und Butterschmalz; gesottenes und gebratenes Fleisch; Käse und Milch; Kraut, Rüben, Eier; verschiedene Arten von Fisch; Äpfel, Kochbirnen; Zwiebeln, Gewürz." (in: Alltag im Spätmittelalter, hrsg. von Harry Kühnel, Graz, Wien, Köln 19863, S. 201/202)

Das Nahrungsangebot bei den Bauern und Handwerkern dürfte im allgemeinen dem des Gesindes entsprochen haben. Der Speiseplan eines gewöhnlichen Bauern wies z.B. folgendes auf: Breie und Grützen aus Hafer, Erbsen, Bohnen, Gerste, Weizen, Hirse, Roggen und Buchweizen, gekocht mit Milch und Butter oder Wasser; Eingeweide, Schweinsköpfe und Schweinepfoten, Blutwurst, Leberwurst, Bratwurst, Fleischwurst und Hirnwurst; Kraut, Kohl und Rüben, angemacht mit Speck und Schmalz; Roggen-, Hafer-, Gersten- und Fladenbrot, das aus einem Teil des Getreidebreies gewonnen und geröstet wurde.

Die breite Masse der Stadtbevölkerung ernährte sich im Prinzip genauso wie die Bauern von Brot, Getreidebreien, Schmalz, Wurst, Zwiebeln, Kohl und Rüben. In vielen mittelalterlichen Städten bewirtschafteten sogenannte Ackerbürger die umliegenden Felder und boten die Überschüsse auf dem Markt an. Ebenso wurden in den Städten Schweine in fest reglementierter Anzahl gehalten, und auf den städtischen Gemeindeweiden befand sich das Vieh der Bürger. Gärten zum Gemüseanbau gab es sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadtmauern. Besaß man selbst kein Vieh, besorgte man sich das Fleisch beim Schlachter, der für diesen Zweck Tiere kaufte, tötete, zerlegte und meist Schweine-, Rind- und Schaffleisch anbot. Zum Essen konnte man sich auch in ein Gasthaus begeben. Die Stadt bot im Vergleich zum Leben auf dem Lande eine erheblich größere Vielfalt an Nahrungsmitteln an, wenn auch feste "Essensregeln" vorschrieben, welche Speisen etwa dem Meister oder dem Kaufmann vorbehalten waren, und was den Gesellen und Dienstboten als Maximum und Minimum zustand. Aber wie der Bauer war auch der kleine Bürger finanziell gar nicht in der Lage, seinen Tisch mit den erlesenen Speisen der Reichen zu decken.

Die teuren Gewürze aus Ostasien, die Südfrüchte, Mandeln, Feigen, Datteln und Rosinen aus Spanien, der Safran aus dem Mittelmeergebiet, die Paradieskörner (eine beißend scharfe Kardamomart aus Westafrika), die Narde (eine Baldrianart mit bitterem Geschmack), der Sumach (Frucht als Pfefferersatz genutzt), die Granatäpfel, die Zitronen und die Pomeranzen (süßsaure Zitrusfrüchte mit orangeroter, bitterer Schale) fanden über Italien ihren Weg auf die deutschen Märkte.

Bei den reichen Bürgern standen Gerichte wie Eiersuppe mit Safran; gebratenes Huhn mit Zwetschgen; gesottener Aal mit Pfeffer; in Schmalz gebackene kleine Vögel mit Rettich; Schweinekeule mit Gurke; gebratene Gans mit roten Rüben; Hühnerfleisch in Mandelmilch mit Reis, Speck und Honig; gebratene Hühner in Mandelsauce unter Zugabe von Sumach-, Zitronen- und Granatapfelsaft oder gekochte Hühner in Mandelmilch mit Reis, Gewürzen und Honig auf dem Speiseplan.

Die sauren, süßen und würzigen Zutaten bewirkten, daß der Eigengeschmack der unterschiedlichen Gerichte verlorenging, und alles irgendwie scharf, sauer oder süß schmeckte.

Beim reichen Bürger Herman Goch, der gegen Ende des 14. Jhs. lebte, gab es an gewöhnlichen Tagen meistens zwei und an hohen Festtagen sogar drei Sorten Fleisch. An Fasttagen wurden z.T. vier Fischsorten wie Stör, Scholle, Forelle und Lachs serviert. An besonderen Festtagen wurde auch Kuchen angeboten, der entweder im Haus selbst hergestellt oder beim Bäcker gekauft wurde. Zur Auswahl standen Aniskuchen, Striezel, Krapfen, Fladen, Brezel, Abendsmahlbrote, Osterwecken und Honigkuchen. Hans Wiswe hat ein mittelalterliches Rezept für einen Bremer Honigkuchen von der Firma Bahlsen Keksfabrik nach folgenden Angaben nachbacken lassen: 166 Teile Honig, 180 Teile Weizenmehl, 25 Teile weißen Pfeffer, 38,5 Teile Wasser. Das Resultat lautete folgendermaßen: "Das Gebäck ist derartig scharf, daß es dem heutigen Menschen kaum genießbar erscheint." (in: Hans Wiswe, ebenda, S. 143)

Auch Jürgen Fahrenkamp probierte mehrere mittelalterliche Gerichte aus und gab freiwillig zu, sich und seinen Freunden magenmäßig manchmal arg zugesetzt zu haben.

Die ältesten deutschen Kochbücher sind: "Buch von guter Spise", das von einem bischöflichen Protonotar um 1350 in Würzburg zusammengestellt wurde, und "Küchenmeisterey", das von Peter Wagner in Nürnberg im Jahre 1485 gedruckt wurde und 1939 als Faksimile erschien. Falls Sie Interesse an Originalrezepten haben, sollten Sie sich letzteres Buch in Ihrer Bücherei per Fernleihe bestellen.

Neben Berufsköchen schrieben auch viele Ärzte Kochbücher. Das bekannteste ist ein Kochbuch für Kranke von dem salernitanischen Arzt Petrus oder Pietro Musandino, der im 12. Jh. lebte.

Gegen Ende des Mittelalters erschienen schließlich auch vermehrt Kochbücher, die von Frauen geschrieben wurden.


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