Da auf sämtlichen Wikipedias erneut Unsinn (Stand September 2024) bezüglich der äußeren Erscheinung von Anna von Sachsen (1544-1577) zu finden ist, ist es auch hier nötig, Korrekturen vorzunehmen. Wie Anna von Sachsen wirklich ausgesehen hat, wissen wir dank eines Identifikationsporträts von ihr (Abb. 1). Identifikationsporträts sind bei der Identifizierung der Herren und Damen auf den wunderschönen Porträtgemälden der Renaissance von sehr großem Wert, denn die Maler hatten durch die Hinzufügung von Symbolen (oder Emblemen) oder Wappen alles getan, um die Dargestellten problemlos identifizieren zu können.
Außer den Frauen der mailändischen Dynastien der Visconti und der Sforza ließen sich nämlich in der Renaissance nur die Frauen der Wettiner noch als die römische Liebesgöttin Venus verewigen. Diese Göttin war die mythologische Stammmutter der Visconti und damit auch der Sforza, und als Letztere im Jahr 1500 ihr mailändisches Herzogtum verloren hatten, gab es eine Reihe von Dynastien, die Anspruch auf deren Nachfolge erhoben, unter anderen die Wettiner, die dies mit Hilfe der Malerei, einem sehr wichtigen Werkzeug in der Propagandamaschinerie der Vergangenheit, auch deutlich zum Ausdruck brachten (Abbn. 1, 2, 3, 4, 5, 6).
Die Frauen der Wettiner liebten zudem diese klobigen, ringförmigen, goldenen, relativ enganliegenden Halsbänder, mit denen sie sich in ihren Porträts sehr häufig zu schmücken pflegten (Abbn. 7 und 8) und die wir auch bei Anna und ihrer Mutter Agnes auf ihren „Venusbildern“ (Abb. 1, Abb. 6 und Abb. 9) finden können.
Daher wissen wir durch die Halskette und die Darstellung der Dame in der Abbildung 1 als die römische Göttin Venus, dass es sich bei der Abgebildeten um eine sächsische Prinzessin handeln muss. Um welche genau, verrät uns zudem der kleine Liebesgott Amor. Denn es handelt sich bei dieser Abbildung, wie bereits erwähnt, um ein Identifikationsporträt. Die Flügel des kleinen Liebesgottes sind mit den symbolischen Farben des Hauses Nassau, Gold und Blau (Abb. 10), geschmückt. Und wenn Sie sich die Stammtafeln der Wettiner und Nassauer anschauen, dann werden Sie entdecken, dass nur eine einzige sächsische Prinzessin einen Nassauer geheiratet hat, nämlich unsere „Anna“. Und können Sie die orangen Schleifen vorne im Haar und an den Ohren in der Abbildung 9 entdecken (die symbolische Farbe für Oranien)?
Auf den Wikipedias wird im Prinzip nur kopiert. Daher verbreitet sich der Unsinn auf dieser Seite auch sehr schnell in der ganzen Welt. So finden Sie hier mittlerweile drei Abbildungen (Abbn. 11, 12 und 14), die angeblich Anna von Sachsen darstellen sollen. Durch die Frisuren und die Mode der Damen lassen sich die Porträtzeichnung, der Stich und das Porträtgemälde zeitlich leicht datieren. Die erste Zeichnung (Abb. 11) zeigt eine Dame am französischen Hof um 1550 bis 1560 mit der dort typischen Frisur und Kopfbedeckung und dem charakteristischen Kragen dieser Zeit. Wer die Dargestellte in der Abbildung 11 ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Zeichnungen enthalten sehr selten Symbole oder Embleme. Es könnte sich um ein nicht besonders gelungenes Porträt von Maria Stuart handeln, als sie noch am französischen Hofe lebte, oder um eine der Hofdamen niederen Adels der französischen Königin Katharina de' Medici oder ihrer Töchter und Schwiegertochter.
Der Stich der jungen Dame oder des Mädchens auf der Abbildung 12 hat von mir die Bezeichnung "das Piltdown-Porträt" erhalten. Haben Sie schon einmal etwas über den "Piltdown-Menschen" gehört? Im Jahr 1912 wurde in England ein Schädel entdeckt, der von der Mehrheit der damaligen Paläontologen und Anthropologen zum ältesten Fund unserer Menschwerdung erklärt wurde. Erst im Jahr 1953 stellte man fest, dass es sich bei diesem Schädel um einen großen Schwindel handelte, denn er setzte sich aus Bruchstücken eines Schädels aus dem Mittelalter, dem Kiefer eines Orang-Utans und den Zähnen eines Schimpansen zusammen. In der Abbildung 12 haben wir es ebenfalls mit einem Sammelsurium von Zutaten aus den verschiedenen Jahrhunderten zu tun. Mit Sicherheit wurde dieser Stich nicht im 16. Jahrhundert gefertigt. Wenn Sie den Text lesen, wird Ihnen sofort ein großer Fehler auffallen, der niemandem zu dieser Zeit passiert wäre. Anna von Sachsen war die Tochter eines Kurfürsten, nicht eines Herzogs. Auf den korrekten Rangtitel wurde in der gesamten Vergangenheit großer Wert gelegt. Die bayrischen Herzöge und die österreichischen Erzherzöge stritten sich ständig, wer wem den Vortritt lassen musste. Das Wappen ist zudem nicht korrekt wiedergegeben worden, was niemals im 16. Jahrhundert geschehen wäre (Abb. 13). Überdies war Anna von Sachsen um 1566, als dieser Stich gefertigt sein soll, bereits verheiratet. Aber das Wappen ihres Gatten fehlt.
Im Gegensatz zu der Abbildung 11 gehört die Dargestellte in der Abbildung 12 jedoch in der Tat zu einer hohen adligen Familie und kann daher einer Dynastie und einer Zeitspanne zugeordnet werden. Die schwere Kette mit dem großen Anhänger zeigt uns, dass wir es bei ihr mit einer Habsburgerin des österreichischen Hauses zu tun haben. Die Frisur war bei dieser Dynastie bei den Mädchen und Frauen von ungefähr 1560 bis ungefähr 1580 in Mode. Diese schwere Kette, die mit unterschiedlichen Anhängern versehen werden konnte, finden wir auch bei der Abbildung 14. Vergleichen Sie diesen Anhänger der Abbildung 14, der aus einem Rubin und einem Smaragd (symbolische Bedeutung für Ungarn) besteht, bitte mit demjenigen der Erzherzogin Johanna von Österreich (1547-1578) (Abb. 15). Die Frage, ob es sich bei den Dargestellten in den Abbildungen 12 und 14 um ein und die gleiche Person handelt, kann leider nicht beantwortet werden. Auf alle Fälle handelt es sich in der Abb. 14 um Elisabeth von Österreich (1554-1592), die zweite Tochter des Kaisers Maximilian II. und Königin von Frankreich, da sie die einzige österreichische Erzherzogin in der Zeitspanne von 1560 bis 1580 war, die dunkles Haar aufwies (Abb. 16). Bei der Abbildung 12 könnte als Vorlage für diesen Stich auch ein Porträt ihrer älteren Schwester Anna von Österreich, Königin von Spanien, verwendet worden sein (Abb. 17).
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