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Louis-Charles war das dritte Kind des französischen Königs Ludwig XVI. (1754-1793) und dessen Gattin Maria Antonia (oder Marie Antoinette) von Österreich (1755-1793). Er war das Lieblingskind seiner Mutter. Das Licht der Welt erblickte er am 27. März 1785. Am 8. Juni 1795 starb er an Tuberkulose.
Als im Juli 1789 die ehemalige Erzieherin des kleinen Prinzen, Madame Polignac, Frankreich verließ, um sich mit ihrer Familie in die sichere Schweiz zu begeben, erhielt Louis-Charles eine neue Erzieherin, Madame de Tourzel, für die Marie Antoinette folgende schriftliche psychologische Beschreibung ihres über alles geliebten Sohnes verfasste: "Mein Sohn [Louis-Charles] ist vier Jahre vier Monate weniger 2 Tage alt ... Ich spreche nicht von seinem Wuchs und seinem Äußern, das sehen Sie selbst. Seine Gesundheit ist immer gut gewesen, aber schon in der Wiege fiel auf, daß seine Nerven außerordentlich empfindlich waren und daß das kleinste besondere Geräusch auf ihn eine Wirkung ausübte. Seine ersten Zähne sind spät gekommen, aber ohne Krankheit und Zwischenfälle, erst bei dem letzten, ich glaube, beim sechsten, hat er einen Krampf gehabt. Seitdem sind solche Krämpfe nur zweimal aufgetreten, einer im Winter 1787 auf 1788, der andere bei seiner Impfung; aber der zweite war sehr geringfügig. Die feine Empfindlichkeit seiner Nerven bewirkt, daß jedes Geräusch, an das er nicht gewöhnt ist, ihm Angst macht; so hat er zum Beispiel Furcht vor Hunden, weil er sie in seiner Nähe bellen gehört hat. Ich habe ihn nie gezwungen, Hunde anzuschauen, weil ich glaube, daß in dem Maße, wie seine Vernunft sich entwickeln wird, seine Furcht sich von selbst geben wird. Wie alle kräftigen und robusten Kinder ist er sehr übermütig und sehr heftig in seinen plötzlichen Zornausbrüchen; dennoch ist er ein gutes, zartes und zärtliches Kind, wenn ihn sein Trotz nicht packt. Er hat ein sehr großes Selbstgefühl, das, wenn man es gut leitet, eines Tages zu seinem Vorteil gewendet werden kann. Ehe er zu jemandem Zutrauen gefaßt hat, weiß er sich im Zaum zu halten und selbst seine Ungeduld und seinen Zorn zu verbergen, um sanft und liebenswürdig zu erscheinen. Er ist von großer Verläßlichkeit, wenn er etwas versprochen hat, aber er ist schwatzhaft, wiederholt gern, was er sprechen gehört, und fügt oft, ohne lügen zu wollen, etwas dazu, was seine Einbildungskraft ihn hat glauben machen. Das ist sein größter Fehler und der Punkt, in dem man ihn unbedingt bessern muß. Sonst ist er, wie ich wiederhole, ein gutes Kind, und mit Zartgefühl und gleichzeitiger Energie wird man ihn, ohne allzu streng zu sein, leicht leiten können und immer alles von ihm erreichen. Strenge würde ihn aufbringen, weil er für sein Alter viel Charakter hat. Ich will nur ein Beispiel geben: seit seiner frühesten Kindheit hat ihn das Wort 'Verzeihung' immer aufgebracht. Er wird alles tun und sagen, was man von ihm verlangt, sobald er Unrecht hat, aber die Worte 'Ich bitte um Verzeihung' wird er nur unter Tränen und mit unglaublicher Qual aussprechen. Man hat von Anfang an meine Kinder erzogen, großes Zutrauen in mich zu setzen, und wenn sie ein Unrecht begangen haben, es mir zu sagen. Das kommt davon, daß selbst, wenn ich sie auszanke, ich niemals so tue, als ob ich erzürnt, sondern immer nur, als ob ich gekränkt wäre und betroffen über das, was sie angestellt haben. Ich habe sie daran gewöhnt, daß alles, was ich einmal ausgesprochen habe, daß jedes Ja oder Nein unwiderruflich ist; aber ich gebe ihnen für meine Entscheidungen immer eine Ursache an, die ihnen und ihrem Alter verständlich ist, damit sie nicht glauben können, es sei meinerseits bloß eine Laune. Mein Sohn kann noch nicht lesen und lernt schlecht; er ist zu zerstreut, um sich anzustrengen. Er hat gar keine Ahnung von seiner hohen Stellung, und ich wünsche sehr, daß dies so bleibe. Unsere Kinder werden schon früh genug lernen, wer sie sind. Er liebt seine Schwester sehr und von ganzem Herzen; immer wenn ihm etwas Vergnügen macht, sei es irgendwohin zu gehen, oder wenn er ein Geschenk erhält, ist es sein erstes, das gleiche auch für seine Schwester zu verlangen. Von Natur aus ist er heiter, und für seine Gesundheit ist es nötig, viel an der Luft zu sein ..." (in: Stefan Zweig: Marie Antoinette - Bildnis eines mittleren Charakters, ebenda, S. 334-336).
"His [Louis-Charles] blue eyes and blond hair resembled his mother's and with his affectionate and playful personality he proved a most rewarding child. He enjoyed games of 'wedding' in the nursery with his friends and playing with sand or horses - his great aunts [Marie Adelaide (1732-1800) und Victoire Louise Marie Thérèse (1733-1799)] had given him eight small black ponies, which had been specially trained so he could ride them. Madame Campan [Erste Dame im Schlafgemach] observed, 'his ruddy health and loviness did, in truth, form a striking contrast to the languid look and melancholy disposition of his elder brother'." (in: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son, id., p. 32).
Am 3. Juli 1793 wurde Louis-Charles von seiner Mutter und seiner Schwester für immer getrennt. Seiner Mutter brach diese Trennung von ihrem Liebling das Herz. Fortan war für den jungen sensiblen König Ludwig XVII. - er war nach der Hinrichtung seines Vaters am 21. Januar 1793 der nächste König in Frankreich geworden - oder Louis Capet, wie ihn die Revolutionäre nannten, der ungebildete - er konnte nicht lesen und schreiben -, faule, brutale, sadistische und trunksüchtige Schuster Antoine Simon verantwortlich. "Antoine Simon was fifty-seven years old, with 'a square, robust build, tanned complexion and a coarse face, and with black hair coming down to his eyebrows and thick whiskers'. He was known for his rough and brutish demeanour; 'he had a gruff, short way of talking and insolent gestures.'" (in: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son, id., p. 105). Durch dessen ständige Schläge und den psychischen Terror, den er gegenüber dem jungen König benutzte, befand sich Louis-Charles fortan unter ständiger Angst. "Simon subjected the boy to 'atrocious cruelty'." Und "Angst fressen Seele auf". Letztendlich wünschte sich Marie Antoinettes Liebling als Neunjähriger, der schon seit Monaten schwer unter Krätze und Tumoren litt, selbst den Tod. Lethargisch lag er, nachdem man Antoine Simon von ihm entfernt hatte, in seiner dunklen Zelle, die nie gesäubert wurde, in seinen Fäkalien, vom Ungeziefer geplagt, in seiner ehemaligen Wiege, bis er am 8. Juni 1795 endlich von seinen körperlichen und seelischen Qualen befreit wurde. Er starb vermutlich an Tuberkulose.
Da Louis-Charles in der Öffentlichkeit schon seit Jahren nicht mehr gesehen worden war, und selbst seine Wärter ihn in seinem letzten Lebensjahr nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, trat schon kurz nach seinem Tod das Gerücht auf, königliche Unterstützer hätten ihn aus seinem Gefängnis befreien können und ihm wäre die Flucht ins Ausland gelungen. Es wundert daher nicht, dass es letztendlich über 100 Männer aus allen Ländern Europas und selbst aus Nordamerika gegeben hat, die behaupteten, es würde sich bei ihnen um den Prinzen Louis-Charles bzw. den König Ludwig XVII. handeln. Sie kamen aus Frankreich, England, Dänemark, Preußen, Russland, Nordamerika (Kanada und den USA), Kolumbien und sogar von den Seychellen, und allesamt waren Hochstapler/Betrüger/Schwindler. Einer der Betrüger aus Nordamerika war sogar der Sohn einer Indianerin. Und trotzdem glaubten viele, er sei der verlorene Prinz! Durch unsere heutigen Kenntnisse bezüglich der DNA konnte schließlich wissenschaftlich bewiesen werden, dass Louis-Charles in der Tat am 8. Juni 1795 im Alter von zehn Jahren gestorben war, denn sein Herz war erhalten geblieben, und es gab noch Locken seiner Mutter, der französischen Königin Marie Antoinette, und seiner Tanten Johanna Gabriele und Maria Josepha, zwei älterer Schwestern seiner Mutter. Die mitochondriale DNA im Herzen wie in den Locken der drei Töchter der Kaiserin Maria Theresia bewiesen, dass es sich hier eindeutig um ein Kind und seine Mutter handelte und dass das Herz in der Tat dem französischen Prinzen Louis-Charles gehören musste, der im Alter von nur zehn Jahren gestorben war.
Die Trennung von Louis-Charles von seiner geliebten Mutter am 3. Juli 1793: "On the night of 3 July, at ten o'clock, the royal family heard the dreaded sounds of a party of municipal officers approaching. The bolts flew back and officers came into Marie-Antoinette's room, disturbing the peaceful scene; she was sewing by candlelight, her son was asleep in bed nearby, with a shawl draped over him to shield him from the light. One of the men read out the decree of the Commune: the 'son of Capet' was to be immediately separated from his mother and lodged in a more secure room in the Tower. Marie-Antoinette was beside herself. Weak and emaciated as she was, she rose to defend her son with determined ferocity. 'She was struck down by this cruel order,' wrote Marie-Thérèse [ihre Tochter], and pleaded forcefully with them to let him stay. Louis-Charles woke up, realised what was happening and 'flung himself into my mother's arms, imploring not to be taken from her'. The idea of parting with her young son and abandoning him to God knows what fate was utter agony for Marie-Antoinette. The officers became increasingly threatening, but 'she would not give up her son', wrote Marie-Thérèse, and blocked the guards from reaching him on the bed behind her. 'They were absolutely determined to have him and threatened to employ violence and call up the guard.' Marie-Antoinette would not yield. 'She told them they would have to kill her, before they could tear her child from her,' said Marie-Thérèse. Guards were summoned. 'An hour passed in resistance on her part, in threats and insults from the municipals, in tears and efforts from all of us.' 'At last they threatened my mother so positively to kill him and us also, that she had to yield for love of us,' wrote Marie-Thérèse. 'We rose, my aunt [Elisabeth von Frankreich] and I, for my poor mother no longer had any strength. After we had dressed him, she took him and gave him into the hands of the municipals herself, bathing him with her tears and overwhelmed with a sense of foreboding that she would never see him again.' As for Louis-Charles, 'the poor little boy kissed us all very tenderly and went away with the guards, crying his heart out'. The guards pushed the boy along the corridor and down the spiral stairway into a room on the floor below. It was the king's [des Vaters von Louis-Charles, der am 21. Januar 1793 unter Guillotine gestorben war]. Louis-Charles had not been here since that tearful evening when he last saw his father, shortly before his execution. The two heavy security doors closed behind him; the bolts were drawn and the padlocks firmly secured. There was the sound of the guards' footsteps growing fainter as they went away downstairs. He was locked up in the place that held such frightening memories for him, with no father and no mother, terrified of what mind happen next. He cried hysterically, quite unable to stop, for two days. Although Marie-Antoinette could not see him, she could hear his inconsolable sobbing in the room immediately below. For this to happen to her treasured little chou d'amour was more than she could bear. She was near collapse, beyond consolation, soaked in grief. She begged the guards incessantly to let her see him. 'Why is he crying?' she asked. 'What are they doing to him?' It was easy to imagine the worst." (in: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son, id., pp. 101-103).
"Early in January 1794, according to a report from one of the guards, Simon found that the boy [Louis-Charles] had woken up one night and, still in a dream-like state, was kneeling by his bedside, repeating the prayers that his mother had taught him. Simon was so exasperated that he took a pitcher of water and poured it on the child's head. Louis-Charles, shivering, stretched out on his soaking bed, not daring to say a word. His tutor [Antoine Simon], however, had not finished. He 'flew into a violent passion ... and armed with his hobnailed shoe, struck him in the face'. By now Chaumette and others on the Commune were putting pressure on Simon to quit his job at the Temple prison." Antoine Simon verließ mit seiner Frau am 19. Januar 1794 den Temple. "... although Simon's treatment of the boy had been shameful, what was to follow was even more shocking and cruel. Louis-Charles was to have all semblance of humanity stripped from him and had to face the most nightmarish treatment possible for a young child. As security was greatly increased around him, the child was effectively entombed alive. ... Louis-Charles was moved into solitary confinement. ... The room was cold, damp and had virtually no natural light. ... No lantern was allowed after dusk and Louis-Charles spent his nights in complete darkness ... There was no question of any amusement or diversions; he had no books or playthings of any kind. No one was even permitted to enter the cell to provide him with basic support, such as clean clothes, or to sweep or ventilate the room. His food was minimal, a frugal diet consisting of two bowls of soup each day with a hunk of bread and perhaps a portion of boiled meat. This meagre fare was slid into his room through the small wicket; he did not see the faces, even the hands of his captors. ... To complete his descent into abject squalor, it would seem from the records that no sanitary facilities were provided. Louis-Charles had to urinate and defecate in his own room. ... His bed was left unmade for months; bugs and fleas covered it, latching onto his body and covering it in bloody sores. Little by little he succumbed to the misery and spent many hours just curled up on the bed. His energy waned and his resistance to infection began to fail." Der Koch Gagnié fragte den Prinzen bzw. jungen König einst, warum er nicht essen würde. "'Well what would you do, my friend?' came the reply, 'I want to die!'" (in: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son, id., pp. 136-139/147).
Nachdem Maximilien Robespierre am 28. Juli 1794 unter der Guillotine gestorben war, war der General Paul François Barras der mächtigste Mann in Frankreich. Er wollte sich den Prinzen Louis-Charles mit seinen eigenen Augen einmal in seinem Gefängnis anschauen. "... General Barras was coming face to face with the cruelty of Louis-Charles' captivity and was apparently taken aback at what he saw. As he entered the foul-smelling, dark room, covered in filth and excrement, he was struck to find the child was curled up in a small cot, shaped like a cradle, in the middle of his room and not in the bed close by. The cot was much too small for him and had no sheets or blankets, only a mattress. He lay motionless, dressed in dirty tattered clothes. Barras assumed he was asleep, but as he drew nearer he could see that the child's eyes were open, watching him. The general asked him why he was lying in this small cot: 'the child without moving at all, answered that he was in less pain in this cot than in his bed.' The general then asked whether he was ill and where was the pain: The child, instead of speaking, pointed to his head and his knees. Barras asked him to get up. He didn't move at all, so he asked the officers to raise the child up carefully and to stand him on the floor so that he could watch him walk. The child resigned himself to the care that was taken to stand him up. He was no sooner on his feet, than he collapsed against the cot, resting his head first. ... 'Barras again ordered that they attempt to stand him on his feet by lifting him by the arms. As the child took the first step, he appeared to be suffering from such pain that he was allowed to sit down.' Noticing the boy's tight clothing, Barras had the trousers cut open. He saw at once that the child's knees were 'terribly swollen and a ghastly colour, as well as his ankles and hands. His face was puffed and pale'. When he questioned the guards, 'he learned the child neither slept nor ate'. ... Several officials from the Commune came to check ... Their reports confirmed what Barras had seen: an emaciated boy in great pain, his head and neck fretted with sores, his shoulders stooped, his limbs unusually long and thin, and blue and yellow tumours on his wrists and knees. ... [Dr Pierre Joseph Desault, head surgeon at the Hôpital d'Humanité and a leading practitioner in Paris] reported [on 6 May 1795] that he 'encountered a child who is mad, dying, a victim of the most abject misery and of the greatest abandonment, a being who has been brutalised by the cruellest of treatments and whom it is impossible for me to bring back to life ... What a crime!'" (in: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son, id., pp.150-151/153/160).
P.S.: Antoine Simon starb übrigens am gleichen Tage wie sein Herr und Meister, Maximilien Robespierre (1758-1794), am 28. Juli 1794, als dessen Anhänger ebenfalls unter der Guillotine.
Lesetipp: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son. London and New York 1988 (absolut lesenswert!!!)
"... there is a small, plain, crystal urn ... It contains a round object that, on first inspection, resembles a stone, shrivelled and dried hard as rock, hanging on a thread. Yet this is no ordinary stone. This is ... the actual heart of the ill-fated boy who died in the Temple prison, stolen from his dead body at the height of the revolution." (in: Deborah Cadbury: The Lost King of France - The Tragic Story of Marie-Antoinette's Favourite Son, id., p. xiii).
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