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Die Wettiner

Friedrich der Streitbare († 1428)

Friedrich der Streitbare war gerade 11 Jahre alt, als er und seine jüngeren Brüder, der zehnjährige Wilhelm II. und der einjährige Georg, am 25. Mai 1381 ihren Vater, Friedrich den Strengen, verloren. Die jüngeren Brüder seines Vaters, der Landgraf Balthasar von Thüringen und der Markgraf Wilhelm I. der Einäugige von Meißen, gaben bereits kurz nach dessen Tod bekannt, dass sie nicht bereit seien, wie zu Zeiten des Verstorbenen den Besitz ihres Hauses nach Köpfen, also nun durch fünf, zu teilen, denn dann hätten sie auf Teile ihres Herrschaftsgebietes zu Gunsten ihrer drei Neffen verzichten müssen. Am 13. November 1382 setzten sie daher im Chemnitzer Vertrag die Verteilung nach Linien durch. Die drei Söhne ihres verstorbenen Bruders Friedrich des Strengen, Friedrich der Streitbare, Wilhelm II. und Georg, hatten sich mit dem Osterland als ihrem gemeinsamen Herrschaftsgebiet zu begnügen. „Unter gemeinsamer Oberhoheit blieben [allerdings] das Obergericht, die Huldigung der Untertanen und Freiberg mit seinen Bergwerken und der Münze.“ (in: Jörg Rogge, ebenda, S. 121).

Im Namen ihrer unmündigen Kinder regierte bis ins Jahr 1388 hinein die Mutter der drei Prinzen, Katharina von Henneberg-Schleusingen, die von ihrem Gatten in seinem Testament zum Vormund und zur Regentin seiner Söhne bestimmt worden war, das Osterland, das die Städte Leipzig, Weißenfels, Eisenberg, Goritzsch-Pegau, das Pleißenland, Jena, Neustadt, Arnshaugk aus dem thüringischen Besitz und im Vogtland die Ämter Triptis Auma, Berga, Bürgau und Ziegenrück umfaßte. Im Jahr 1388 übernahm ihr ältester Sohn, Friedrich der Streitbare, schließlich auch im Namen seiner jüngeren Brüder als Senior die Regierung. Nachdem sein jüngster Bruder Georg, der bereits im Dezember 1401 im Alter von 21 Jahren sterben sollte, sich für die Klerikerlaufbahn entschieden hatte, musste Friedrich sich nur noch mit seinem ehrgeizigen Bruder Wilhelm II., der es hasste, sich mit der Rolle des zweiten Markgrafen im Osterland zufriedengeben zu müssen, bezüglich der Regierungsbeteilung und der Verteilung der Unterhaltsgelder auseinandersetzen. Im Jahr 1390 einigten sich der 20-jährige Friedrich der Streitbare und der 19-jährige Wilhelm II. in einem Familienvertrag, ihren Herrschaftsbereich solange nicht zu teilen, wie sie unverheiratet waren. Da das Osterland, wirtschaftlich und finanziell betrachtet, kaum zwei fürstliche Höfe unterhalten konnte, wurde eine Teilung der Herrschaft trotz der Heirat Friedrichs des Streitbaren mit der siebenjährigen Katharina von Braunschweig-Lüneburg († 1442), einer Tochter des Herzogs Heinrich I. von Braunschweig-Lüneburg († 1416), im Februar 1402 nicht vorgenommen.

Friedrichs beide Onkel, der Landgraf Balthasar von Thüringen und der Markgraf Wilhelm I. von Meißen, schlossen schließlich am 11. März 1403 einen erneuten Erbvertrag, der auch ihre beiden Neffen im Osterland betraf. Falls die Thüringer Linie von Balthasar aussterben sollte, durfte Wilhelm I. sich zwei Schlösser aus dessen Herrschaft auswählen. Erst danach sollte die Teilung der thüringischen Landgrafschaft zwischen ihm und seinen beiden Neffen Friedrich dem Streitbaren und Wilhelm II. vorgenommen werden. Falls der Markgraf Wilhelm I. von Meißen, ohne Erben zu hinterlassen, sterben sollte, durfte sich sein Bruder, der Landgraf Balthasar von Thüringen, oder dessen Nachfolger in der Markgrafschaft zwei Orte wählen. Ausgenommen waren Meißen und Dresden. Erst dann konnte die Markgrafschaft zwischen ihm und seinen Neffen Friedrich dem Streitbaren und Wilhelm II. geteilt werden. Sollten jedoch die Neffen aus dem Osterland, ohne Söhne zu hinterlassen, sterben, dann wollten Balthasar und Wilhelm I. das Osterland gerecht unter sich aufteilen.

Drei Jahre später, am 16. Mai 1406, starb der thüringische Landgraf Balthasar auf der Wartburg. Er wurde nicht wie sein Vater, Friedrich der Ernsthafte, und sein älterer Bruder, Friedrich der Strenge, in der Familiengrabstätte des Klosters Altzella, sondern im Kloster Reinhardsbrunn beigesetzt. Aus seiner zweiten Ehe mit Margarete (oder Margaret), einer Tochter des Burggrafen Albrecht von Nürnberg, waren seine Tochter Anna, geboren im Jahr 1377, und sein Sohn Friedrich der Friedfertige, geboren am 30. November 1384, hervorgegangen. Seine erste Ehe mit Agnes (oder Angnes) von Sachsen war kinderlos geblieben. Sein Sohn Friedrich der Friedfertige folgte ihm als nächster Landgraf von Thüringen.

Am 10. Februar 1407 verschied sein jüngerer Bruder, der Markgraf Wilhelm I. von Meißen. Dieser ließ sich im Dom von Meißen beisetzen. Aus seiner Ehe mit Ludmilla (nicht Elisabeth) von Mähren († 1400) waren keine Kinder hervorgegangen. Daher wurden nun zum ersten Mal die Bestimmungen des erneuten Erbvertrages von 1403 angewandt. Nach diesen Bestimmungen sollte sein Herrschaftsgebiet zwischen seinen drei Neffen, Friedrich dem Streitbaren, Wilhelm II. und Friedrich dem Friedfertigen, aufgeteilt werden, wobei sich die beiden Neffen vom Osterland laut des Vertrages mit der Hälfte der Markgrafschaft hätten zufriedengeben müssen. Die andere Hälfte sollte an deren jüngeren Cousin von Thüringen gehen. Um Streitigkeiten unter den drei Erben zu vermeiden, war vom Markgrafen Wilhelm I. bestimmt worden, dass eine Kommission die Teilung seines Herrschaftsgebietes vornehmen sollte. Letztendlich sollte das Los entscheiden, wer was erhielt. Nur die Stadt Meißen war von der Teilung ausgenommen worden. Sie sollte von den drei Cousins gemeinsam regiert werden. Friedrich der Streitbare und Wilhelm II. lehnten jedoch die Teilung der Markgrafschaft von Meißen ab. Sie schlugen dagegen eine gemeinsame Regierung der drei Cousins in der ehemaligen Herrschaft ihres Onkels Wilhelm I. vor, wobei sie sich selbst als diejenigen betrachteten, die die Markgrafschaft regierten, während ihr Cousin Friedrich der Friedfertige nur an den Einkünften beteiligt werden sollte. Selbstverständlich lehnte Letzterer diesen Vorschlag ab. Wütend brach er die Verhandlungen mit seinen osterländischen Cousins ab, und ein mehrjähriger schwerer Konflikt folgte zwischen den drei Cousins, in dem in den Jahren 1408 und 1409 sogar eine militärische Auseinandersetzung drohte. Schließlich einigten sich die drei Cousins im Naumburger Vertrag vom 31. Juli 1410, die Markgrafschaft von Meißen gemäß des Erbvertrages von 1403 zu teilen. „Die Fürsten teilten sie aber nicht in zwei sauber getrennte Einheiten. Landgraf Friedrich [der Friedfertige] bekam auch östlich von Dresden gelegene Städte und Besitz im Vogtland: Radeberg, Pirna, Königstein, Dohna, Dippoldiswalde, Tharandt, Voitsberg und Oelsnitz. An die beiden Osterländer fielen u.a. Torgau, Delitzsch, Grimma, Colditz, Borna, Rochlitz, Mittweida und Chemnitz … Die Stadt Meißen, das Kloster Altzella (die Grablege) und die Münze in Freiberg blieben im gemeinsamen Besitz der drei Wettiner. Sie vereinbarten wieder eine Erbverbrüderung und versprachen, sich nicht in die Regierungspraxis des anderen einzumischen. Allerdings durften Rechte und Besitzungen in der Markgrafschaft Meißen, dem nunmehr aufgeteilten Erbe des Markgrafen Wilhelm I., nur mit der Zustimmung von beiden Linien verkauft oder verpfändet werden.“ (in: Jörg Rogge, ebenda, S. 136).

Wenn durch den Naumburger Vertrag des Jahres 1410 das Verhältnis zwischen den osterländischen Markgrafen mit ihrem thüringischen Cousin auch etwas entspannter wurde, so blieben die Zwistigkeiten zwischen den Brüdern Friedrich dem Streitbaren und Wilhelm II. weiterhin bestehen. „Im Jahr 1411 beschlossen sie eine Örterung (Nutzungsteilung) ihres Herrschaftsbereiches für die Dauer von vier Jahren. Jeder Bruder erhielt einen Verwaltungsbezirk, aus dessen Einnahmen er seine Hofhaltung und Lebensführung bestreiten mußte. An Friedrich fiel der größte Teil der Mark Meißen und die Stadt Leipzig; Wilhelm erhielt den größten Teil des Osterlandes und richtete seinen Hof in Altenburg ein. Um sicherzustellen, daß ihr Territorium im Besitz der Linie blieb, schlossen sie eine Erbverbrüderung ab, das heißt, sie setzten sich gegenseitig als Erben ein. Wilhelm betrachtete die Örterung aber nur als eine Zwischenlösung auf dem Weg zu einer endgültigen Trennung. Wilhelm II. wußte, dass eine Teilung ihres Herrschaftsgebietes dann unumgänglich war, wenn er eine eigene Familie und Erben hatte.“ (in: Jörg Rogge, ebenda, S. 144).

Um die Teilung des gemeinsamen Herrschaftsgebietes voranzutreiben, heiratete Wilhelm II. schließlich im Mai 1413 per procurationem Amalia von Masowien. Da seine Ehe jedoch nicht körperlich vollzogen wurde, das heißt, das notwendige Beilager nicht stattfand, das ihre Ehe rechtsgültig gemacht hätte, sah sich sein älterer Bruder Friedrich der Streitbare nicht zur Teilung gezwungen. Die Streitigkeiten zwischen den beiden Brüdern währten also fort und endeten erst mit dem Tod von Wilhelm II. am 30. März 1425. Da dieser kinderlos verstarb, fiel seine Herrschaft im Osterland und in Meißen entsprechend der Erbverbrüderung von 1411 an seinen älteren Bruder Friedrich den Streitbaren.

Das angespannte Verhältnis zwischen Friedrich dem Streitbaren und seinem thüringischen Cousin Friedrich dem Friedfertigen endete mit dem Erscheinen eines mächtigen externen Feindes aus Böhmen, den Hussiten, die seit 1419/1420 eine ernsthafte Bedrohung für den Fortbestand der wettinischen Herrschaften waren. „In Anbetracht der intensiven Bedrohung durch die böhmischen »Ketzer« relativierten sich die Probleme zwischen den beiden Linien und Landgraf Friedrich [der Friedfertige] regierte seit 1420 Thüringen und seine Teile der Mark Meißen weitgehend unbehelligt von seiner Verwandtschaft.“ (in: Jörg Rogge, ebenda, S. 138-139). Friedrich der Streitbare und sein Bruder Wilhelm II. nahmen aktiv am Kreuzzung gegen die Hussiten unter dem König Sigismund teil. Letzterer bedankte sich bei Friedrich dem Streitbaren für seine kontinuierliche militärische Hilfe, indem er ihn am 6. Januar 1423 mit dem Kurfürstentum von Sachsen-Wittenberg belehnte. Das Kurfürstentum Sachsen-Wittenberg war zwar klein – es erstreckte sich zwischen Bitterfeld, Belzig und Liebenwerda mit dem Hauptort Wittenberg – und, wirtschaftlich betrachtet, schwach, aber an ihm hing die Kurfürstenwürde und damit ein erhebliches Maß an Prestige und Ehre. Nun gehörten die Wettiner zu den sieben Reichsfürsten, die das Recht besaßen, den zukünftigen König des Heiligen Römischen Reiches zu wählen.

Im Gegensatz zu seinem Bruder Wilhelm II. und seinem thüringischen Cousin Friedrich dem Friedfertigen blieb Friedrich der Streitbare zudem nicht ohne Erben. Seine Gattin Katharina von Braunschweig-Lüneburg brachte ihm folgende sieben Kinder auf die Welt: 1. seine Tochter Katharina (geboren um 1510), die bereits als Kleinkind verstarb; 2. seinen Sohn Friedrich den Sanftmütigen, geboren am 22. August 1412 und gestorben am 7. September 1464; 3. seinen Sohn Sigismund, geboren am 3. März 1416 und gestorben am 24. Dezember 1471; 4. seine Tochter Katharina, die zukünftige Gattin des Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg († 1471), geboren um 1418 oder 1419 und gestorben am 23. August 1476; 5. seine Tochter Anna, die zukünftige Gattin des Landgrafen Ludwig I. von Hessen († 1458), geboren am 5. Juni 1420 und gestorben am 17. September 1462; 6. sein Sohn Heinrich, geboren am 21. Mai 1422 und gestorben am 22. Juli 1435; und 7. sein Sohn Wilhelm III., geboren am 30. April 1425 und gestorben am 17. September 1482. Als Friedrich der Streitbare, der auch als der Gründer der Universität von Leipzig (im Jahr 1409) in die Geschichte einging, am 4. Januar 1428 aus dem Leben schied, hatte er für reichlichen männlichen Nachwuchs gesorgt, der den Fortbestand seiner Dynastie sicherte, der jedoch auch zu vielen neuen Streitigkeiten in seinem Haus führen sollte.

Bezüglich seines Beinamens „der Streitbare“ schreibt Jörg Rogge Folgendes: „Friedrich wird seit dem 16. Jahrhundert von der sächsischen Landesgeschichte als »der Streitbare« bezeichnet. Damit spielt man auf seine angeblichen Leistungen als Krieger und Feldherr an, der seinen Herrschaftsbereich gegen die Hussiten verteidigt habe. Doch streitbar gegen auswärtige Gegner war er nur der Not gehorchend, und militärisch wirklich erfolgreich war er auch nicht. Als er starb, hatten die Hussiten den Höhepunkt ihrer Macht in Böhmen erreicht und bereiteten die Expansion ihrer Revolution nach Westen vor. Streitbar war er vor allem gegenüber seinen Verwandten, zumal seinem Vetter Friedrich in Thüringen, gegen den er massiv vorgegangen war, um den Verlust von Besitz und Rechten zu verhindern.“ (in: Jörg Rogge, ebenda, S. 153).


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