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Die Wettiner

Heinrich der Erlauchte († 1288) und Albrecht II. der Entartete († 1314)

Da Dietrich der Bedrängte befürchtet hatte, dass seine eigenen Verwandten, die Grafen von Brehna, eine mögliche Vormund- und Regentschaft über seinen unmündigen Sohn zu ihrem Vorteil ausnutzen würden, hatte er in seinem Testament seinen Schwager, den Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen, neben seiner Gattin Jutta zu Regenten seines Nachfolgers, Heinrich des Erlauchten, bestimmt. Als jedoch schließlich der Fall wirklich eintrat, dass Dietrich durch seinen frühen Tod am 17. Februar 1221 einen nur dreijährigen Erben zurückließ, zeigte sich, dass auch sein Schwager, der Landgraf Ludwig IV. von Thüringen, der Versuchung, sich an seinem Neffen zu bereichern, nicht widerstehen konnte. Anfänglich wachte jedoch dessen Halbschwester Jutta, „die mütterliche Regentin“, über die Herrschaften ihres Sohnes und begrenzte den Zugriff ihres Halbbruders Ludwig IV. auf dessen Lehnsgüter und dessen Vermögen. Durch ihre erneute (heimliche) Vermählung im Januar 1223 mit dem Grafen Poppo VII. von Henneberg, bei der sie ihren Halbbruder nicht um seine Zustimmung gebeten hatte, verlor Heinrichs Mutter jedoch nach germanischem Recht die Vormundschaft über ihren Sohn. Sie verließ nämlich hierdurch die Familie ihres verstorbenen ersten Gatten und ihres Sohnes Heinrich und trat in eine neue, der Familie ihres zweiten Gatten, ein. Trotzdem gab sie nicht auf, sich für die Belange ihres Kindes einzusetzen, bis ihr Halbbruder ihr und ihren Anhängern im Jahr 1224 offen die Fehde ansagte. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jutta und ihrem Halbbruder Ludwig IV. hinsichtlich der Herrschaftsgebiete ihres Kindes bzw. seines Neffen endeten erst im September 1227, als der thüringische Landgraf in Süditalien, von wo aus er sich zusammen mit dem Kaiser Friedrich II. auf einen Kreuzzug ins Heilige Land begeben wollte, Opfer einer Epidemie wurde. Zurück ließ er als seinen Nachfolger nun ebenfalls ein unmündiges Kind, seinen fünfjährigen Sohn Heinrich II., für den in den nächsten Jahren sein Bruder Heinrich Raspe als dessen Vormund und Regent die Regierungsgeschäfte führte.

Zum neuen Vormund und Regenten des sächsischen Prinzen Heinrich des Erlauchten wurde derweil Herzog Albrecht I. von Sachsen bestimmt, der diese Position bis ins Jahr 1229 hinein innehatte. Im Sommer 1230 erlangte der 12-jährige Wettiner schließlich seine Mündigkeit und konnte daher nun die Regierungsgeschäfte in seinen Markgrafschaften selbst übernehmen. Seine Mutter Jutta starb im Jahr 1235, nachdem sie ihrem zweiten Gatten noch vier oder fünf Kinder geschenkt hatte. Sie erlebte noch die erste Heirat ihres Sohnes Heinrich mit, der im Mai 1234 Constanze von Österreich, eine Tochter des Herzogs Leopold von Österreich, heiratete, mit der er bereits seit 1225 verlobt gewesen war. Constanze schenkte ihrem Gatten seine Söhne Albrecht II. († 1314), geboren im Jahr 1240, und Dietrich († 1285), geboren im Jahr 1242. Sie starb bereits im Jahr 1243. Gegen Ende des Jahres 1244 oder zu Beginn des Jahres 1245 heiratete Heinrich der Erlauchte zum zweiten Mal. Bei seiner Auserwählten handelte es sich um die Prinzessin Agnes, eine Tochter von König Wenzel I. von Böhmen. Sie sollte die große Liebe in seinem Leben sein. Agnes brachte zwei Töchter, Adelheid und Hedwig, auf die Welt: "Zwei hinterlassene Töchter seiner zweiten Gemahlin Agnes, einer böhmischen Prinzessin, Adelheid und Hedwig traten in das Nonnenkloster zu Weißenfels ein." (in: Eduard Machatschek: Geschichte des Königreichs Sachsen, Regensburg und Leipzig 1862, S. 79). Adelheid wurde Äbtissin des Klosters zu Weißenfels. Nach Agnes' Tod am 10. Oktober 1268 ging Heinrich noch eine dritte Ehe mit einer gewissen Elisabeth von Maltitz oder Maltiz († 1333) ein, die aus einer Ministerialenfamilie stammte und die ihm noch zwei weitere Söhne, Heinrich, der früh verstarb, und Friedrich Clem (1274-1316), schenkte, die jedoch wegen des niederen Standes ihrer Mutter nicht erbfolgeberechtigt waren.

Unter Heinrich dem Erlauchten nahmen die Größe des Herrschaftsgebietes und auch das Ansehen und die Macht der Wettiner beträchtlich zu. Als sein Cousin mütterlicherseits, Heinrich II. von Thüringen, der Sohn des verstorbenen Landgrafen Ludwig IV. und der Heiligen Elisabeth, im Jahr 1241, ohne Erben zu hinterlassen, starb und auch dessen Onkel Heinrich Raspe am 16. Februar 1247 kinderlos das Zeitliche segnete, gelang es ihm nämlich, nach einem langjährigen Erbfolgekrieg um Thüringen außerdem der nächste Pfalzgraf von Sachsen und Landgraf von Thüringen zu werden. Als Braut für seinen älteren Sohn Albrecht II. konnte er überdies die Hand einer Tochter des Kaisers Friedrich II., Margarete, gewinnen. Ihre Heirat fand im Jahr 1254 statt. Als Mitgift für die Braut waren 10.000 Mark Silber versprochen worden, für die der Brautvater als Sicherheit das Pleißenland verpfändete. Da Friedrich II. dieses Geld nicht auftreiben konnte, gelangte das Reichsterritorium Pleißenland ebenfalls in den Besitz der Wettiner. Margarete schenkte ihrem Gatten drei Söhne, Heinrich († 1282), geboren im Jahr 1256, Friedrich († 1323), geboren im Jahr 1257, und Dietrich († 1307), geboren im Jahr 1260, und zwei Töchter, Margarete und Agnes († 1332).

Heinrich der Erlauchte konnte daher, was seine männliche Nachkommenschaft betraf, zuversichtlich in die Zukunft schauen. Es standen genügend Söhne und Enkelsöhne zur Verfügung, so dass er nicht zu befürchten hatte, wie seine väterlichen und mütterlichen Verwandten, ohne Erben zu hinterlassen, zu sterben. Wie seine mütterlichen Vorfahren erwies er sich zudem als ein engagierter Förderer der Hofkultur und der Kunst. Und er griff selbst zur Feder. So verschaffte er sich einen Namen als Dichter von Minneliedern und verfasste zudem auch geistliche Gesänge. Außerdem liebte er es wie seine mütterlichen Vorfahren, prachtvolle Veranstaltungen mit Musik, Banketten, Tanz und Turnieren zu geben, auf denen er seine hohe Position und den Reichtum seines Hauses für jedermann sichtbar in aller Öffentlichkeit darstellen konnte. Sein Turnier vor den Toren von Nordhausen im Jahr 1263, zu dem alle Fürsten Deutschlands eingeladen worden waren, sollte sogar in die Geschichte eingehen. Denn Heinrich hatte nichts unterlassen, um seine Gäste, die hohen und niederen Adligen, und die Zuschauer, seine Untertanen, zu beeindrucken. „Dazu gehört etwa, daß außerhalb der Stadt ein künstlicher Wald errichtet wurde, worin auch ein Baum stand, der ganz aus Gold und Silber gefertigt war. Wer im Lanzenkampf gegen einen anderen seine Lanze brach, erhielt zum Lohn ein silbernes Blatt vom Baum. Wenn aber einer einen Standesgenossen mit seiner Lanze vom Pferd stach und selber im Sattel blieb, hatte er sich ein goldenes Blatt von dem Baum verdient.“ (in: Jörg Rogge, ebenda, S. 80). In einer anderen Quelle liest man: "Die Preise, welche Heinrich der Erlauchte den siegenden Rittern bei diesem Kampfspiel hatte aussetzen lassen, waren äußerst werthvoll. Der erste derselben bestand in einer 20 Pfund schweren silbernen Rüstung, mit goldenen Buckeln und Heftnägeln ausgelegt, in einem Ritterschwert mit goldenem Griff nebst dergleichen Wehrgehänge und Sporen, sowie in einem Streitroß, mit prächtigem Sattel, Zeug und Silberstücken belegt. Die übrigen Preise waren gleichfalls sehr werthvoll. Außerdem aber war noch zur Rechten der Kampfrichter ein stattlicher Baum aufgepflanzt, dessen Stamm aus feinem Silber gearbeitet war, die Blätter bestanden zum Theil aus Gold, zum Theil aus Silber, die äpfelartigen Früchte aber aus dem feinsten Golde. Diese Blätter und Früchte durften sich die einzelnen Sieger vom kostbaren Baume pflücken, je nach Verhältniß ihrer Leistungen." (in: Galerie der Sächsischen Fürstinnen, ebenda, S. 55-56).

Da Heinrich in seiner Familie Erbstreitigkeiten wie unter seinem Vater Dietrich dem Bedrängten und seinem Onkel Albrecht dem Stolzen unter seinen beiden erbberechtigten Söhnen Albrecht II. und Dietrich vermeiden wollte, entschied er sich bereits im Jahr 1263, diesen eigene Herrschaften zuzuweisen: Albrecht II. erhielt die Landgrafschaft von Thüringen und die Pfalzgrafschaft von Sachsen und Dietrich die neugeschaffene Markgrafschaft von Landsberg. Er selbst beschränkte sich seit dieser Zeit auf die Markgrafschaften von Meißen und von der Ostmark. Aber diese Teilung seines Herrschaftsgebietes und seiner Macht konnte letztendlich trotzdem nicht verhindern, dass es bereits zu seinen Lebzeiten zu schweren Konflikten zwischen ihm und seinem ältesten Sohn Albrecht II. und zwischen seinen beiden älteren Söhnen kam. Im Jahr 1268 provozierte Albrecht II. seinen jüngeren Bruder Dietrich z.B. so sehr, dass nur durch die Vermittlung des Bischofs Dietrich von Naumburg eine offene Feldschlacht zwischen ihnen verhindert werden konnte. Nur wenig später ging Albrecht II. sogar gegen seinen Vater militärisch vor. Heinrich gelang es, seinen Sohn gefangen zu nehmen. Im April 1270 söhnten sich Vater und Sohn wieder aus. Als Heinrich Anfang des Jahres 1288 verstarb, hatte er im Gegensatz zu seinem Vater keine klare Nachfolgeregelung hinterlassen. Er hatte nur angeordnet, dass die Markgrafschaften von Meißen und von der Ostmark nicht an seinen ältesten Sohn Albrecht II., sondern an seinen Enkel Friedrich den Freidigen (oder Gebissenen) übergehen sollten. Nach seinem Tod währten die gewalttätigen Fehden unter den Wettinern daher fort, denn Albrecht II., der in die Geschichte unter den Beinamen „der Entartete“ eingehen sollte, fühlte sich durch die Bevorzugung seines Sohnes Friedrich von seinem Vater hintergangen.

Unter Albrecht II. hatten jedoch nicht nur sein Vater und sein Bruder Dietrich zu leiden. Auch gegen die Adligen in seinen Herrschaften ging dieser mit Gewalt vor, was die Schar seiner Gegner in Thüringen immer größer werden ließ. Sehr schwer hatte es unter ihm auch seine Gattin Margarete. Zusammen mit der Geliebten ihres Gatten, einer gewissen Kunigunde von Eisenberg, hatte sie auf der Wartburg zu leben und musste zudem hinnehmen, dass die beiden Kinder, die aus dieser Liebesbeziehung hervorgegangen waren, der Sohn Albrecht († 1301/1305), der den Spitznamen „Apitz" trug, und die Tochter Elisabeth († 1326), von ihrem Gatten gegenüber ihren eigenen drei Söhnen und zwei Töchtern bevorzugt wurden. Da Margarete um ihr Leben zu fürchten begann und keine Hilfe von ihrem Schwiegervater Heinrich dem Erlauchten erhoffen konnte, floh sie im Jahr 1270 von der Wartburg nach Frankfurt am Main. Der Abschied von ihren Kindern fiel ihr sehr schwer. „Durch das außereheliche Verhältnis Albrechts von Meißen mit Kunigunde von Eisenberg steigerte sich die Abneigung gegen seine Frau (Margarete) zu Widerwillen. Er veranlaßte einen Diener, einen Eseltreiber, der täglich das Holz auf die Wartburg brachte, nachts als Teufel verkleidet in das Schlafgemach Margaretes einzudringen und sie zu erwürgen. Der Diener zögerte, den schändlichen Plan auszuführen, und als er sich auf das Drängen seines Herrn dennoch dazu anschickte, erbat er von Margarete Gnade und eröffnete ihr die Gefahr, in welcher sie schwebe und der sie sich nur durch die Flucht entziehen könne. Sie entschloß sich dazu, ging aber zuvor noch einmal zu ihren Kindern, um von ihnen Abschied zu nehmen. Der Schmerz bewegte sie so heftig, daß sie Friedrich küssend in die Wange biß. Er bekam den Beinamen ‚mit der gebissenen Wange‘... Margarete, der Diener und zwei getreue Frauen ließen sich an Stricken von der Wartburg herab und entkamen. Margarete wanderte ohne Hilfe, von Angst und Sorge getrieben durch das Land, bis der Abt von Fulda sie aufnahm und nach Frankfurt bringen ließ. Im Angedenken an Margaretes kaiserlichen Vater behielten die Bürger die unglückliche Frau bis zu ihrem Tod im Jahr 1270. Der Erzbischof von Mainz ließ sie feierlich bestatten.“ (in: Josef Mühlberger, Lebensweg und Schicksal der staufischen Frauen, Esslingen 1977, S. 146/147). Jedoch wurde die Beschreibung von Margaretes Flucht nicht von allen als Tatsache akzeptiert: "Wir haben aber gerechte Ursache, diese ganze Erzählung, so weit sie von einem Mordversuche gegen die Landgräfin [Margarete] berichtet, in Zweifel zu ziehen ... erst ein 160 Jahre nach jenem Ereignisse lebender Mönch, der auch außerdem viel Ungereimtes und Unglaubwürdiges erzählt, jenen Zusatz beibringt, den ihm seitdem alle sächsischen Geschichtschreiber unbedenklich nachgeschrieben haben. Einige alte Chronisten berichten dagegen ganz einfach, Margaretha habe sich aus Unmuth über die Geringschätzung ihres Gemahls und über sein Verhältniß zur "schönen Kunne von Isenberg" von der Wartburg hinweg nach Frankfurt begeben." (in: Galerie der Sächsischen Fürstinnen, ebenda, S. 67).

Margaretes Flucht oder Wegzug von der Wartburg geschah am 24. Juni 1270 und führte über Eisenach und Fulda nach Frankfurt am Main, wo sie von den Bürgern freundlich aufgenommen wurde. Sie übergaben ihr ein Haus und sorgten für ihre Verpflegung. Bereits sechs Wochen später starb sie am 8. August 1270 in ihrem Exil. Albrecht II. heiratete nach ihrem Tod sogleich seine Geliebte Kunigunde von Eisenberg. Die Kinder aus seiner ersten Ehe lebten seitdem bei ihrem Onkel Dietrich, dem Markgrafen von Landsberg. Nach Kunigundes Tod am 31. Oktober 1286 ging Albrecht II. im Jahr 1290 noch eine dritte Ehe mit der Gräfin Elisabeth von Orlamünde († 1333), der Witwe des Grafen Otto IV. von Lobdeburg-Arnshaugk, ein. Diese Ehe blieb kinderlos. Elisabeth besaß jedoch aus ihrer ersten Ehe eine Tochter gleichen Namens, Elisabeth (um 1286 - 1359), die später die Gattin von Albrechts Sohn Friedrich werden sollte.

Für sein Geschlecht, die Wettiner, wurde Albrecht II. der Entartete zum Urbild des „Abartigen und Bösen“. Was seine Vorfahren über viele Generationen hindurch aufgebaut hatten, ging unter ihm in wenigen Jahren verloren. Da er sich stets in Geldnöten befand, verkaufte er im Sommer 1289 die Markgrafschaft von Meißen an seinen Neffen Friedrich Tuta († 1291), den Sohn und Erben seines im Jahr 1285 verstorbenen Bruders Dietrich, ohne sich zuvor mit seinen Söhnen und Nachfolgern Friedrich und Dietrich abgesprochen zu haben. Nach dem Tod seines Neffen im Herbst 1291 verkaufte er die neuerworbene Landgrafschaft von Landsberg an den Markgrafen Otto IV. von Brandenburg und im April 1294 die Landgrafschaft von Thüringen und die Markgrafschaft von Meißen für 11.000 oder 12.000 Mark Silber an König Adolf von Nassau. Die Herrschaften sollten jedoch erst nach seinem Tod in den Besitz des Letzteren übergehen. Sein ihn überlebender Sohn aus seiner ersten Ehe, Friedrich, weigerte sich selbstverständlich, seinen Anspruch auf die Herrschaften seiner Vorfahren aufzugeben. Als Albrecht II. schließlich im Januar 1307 von sämtlichen weltlichen Ämtern zurücktrat, das heißt, als weltliches Oberhaupt der Wettiner abdankte, bestätigte er seinen Sohn Friedrich den Freidigen oder den Gebissenen als seinen Nachfolger. Daraufhin zog er sich nach Erfurt zurück und lebte dort unter dem Namen „Hans Patze“ bis zu seinem Tod im Jahr 1314.


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