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Frohe Weihnachten / Merry Christmas

Eine wunderschöne Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2025 wünscht Ihnen, meine lieben Leser und Leserinnen, Ihre Maike Vogt-Lüerssen von Downunder.

Möge das nächste Jahr Ihnen Gesundheit und viel Liebe schenken. Ganz besonders möchte ich mich bei denjenigen bedanken, die meine Bücher und E-Books gekauft haben und mir damit ermöglichen, meiner großen Leidenschaft, der Geschichte, weiterhin nachgehen zu können.

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Merowingische Königinnen

Chrodechilde (um 480-544) - Die erste große Merowingerkönigin

Chrodechilde und die Söhne
Chrodechilde mit ihrem Stiefsohn Theuderich I. und ihren drei Söhnen Chlodomer, Childebert I. und Chlothar I., in: Grandes Chroniques de Sainte Denis, Toulouse, Bibliothèque municipale.

Chrodechilde (oder Chrodichilde) stammte aus dem hohen adligen Haus der Burgunder. Ihr Großvater war der Burgunderkönig Gundevech, der vier Söhne besaß: Gundobad, Godegisil, Chilperich und Godomar. Sein dritter Sohn Chilperich war Chrodechildes Vater. Das Reich ihrer Familie befand sich an der Rhône und der Saône und die größten Städte waren Dijon, Autun und Genf. Als Chrodechilde um ungefähr 480 geboren wurde, kam es bei der Besetzung des burgundischen Thrones laut Gregor von Tours zu schweren Auseinandersetzungen zwischen ihrem Vater und seinem ältesten Bruder Gundobad: „Gundobad aber tötete seinen Bruder Chilperich mit dem Schwerte und ließ seine Gemahlin mit einem Stein um den Hals in das Wasser werfen. Ihre beiden Töchter aber verbannte er vom Hofe, die ältere, die Nonne wurde, hieß Chrona, die jüngere Chrodichilde [oder Chrodechilde]. Da aber Chlodovech [= Chlodwig I.] oftmals Botschaft sandte in das Burgunderland, sahen seine Boten einst Chrodichilde, die Jungfrau; und da sie fanden, daß sie schön und verständig sei, und in Erfahrung brachten, daß sie von königlichem Geschlecht, meldeten sie dies König Chlodovech. Und sofort schickte er eine Gesandtschaft an Gundobad und hielt um ihre Hand an. Jener scheute sich, ihn abzuweisen und übergab den Boten die Jungfrau. Die nahmen sie in Empfang und brachten sie eilends vor den König. Da er sie sah, fand er großes Wohlgefallen an ihr und nahm sie zur Ehe; er hatte aber schon vorher von einem Kebsweibe einen Sohn mit dem Namen Theuderich.“ (in: Gregor von Tours: Zehn Bücher Geschichten, Erster Band: Buch 1-5, (Auf Grund der Übersetzung W. Giesebrechts neubearbeitet von Rudolf Buchner) Darmstadt 1986, Decem Libri Historiarum II, 28, S. 113/115).

Um 480, als Chrodechilde das Licht der Welt erblickte, wurde also ihr Vater Chilperich von seinem ältesten Bruder Gundobad († 516), dem neuen König von Burgund, getötet. Diese blutigen Fehden zwischen Brüdern finden wir im Frühmittelalter gerade nach dem Tod eines Herrschers, bei dem es sich um ihren Vater, ihren Onkel oder einen ihrer Brüder handeln kann, sehr häufig. Ob Chrodechildes Mutter wirklich mit einem Stein um den Hals ins Wasser geworfen wurde, wird mittlerweile stark bezweifelt. Gregor von Tours wollte vermutlich die ersten Lebensjahre von Chrodechilde mit dieser Anekdote dramatisch ausgestalten. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass wir Gregor von Tours dabei erwischen, wie er nicht bei der Wahrheit bleibt. Die Strafe des Ertränkens hatten zu dieser Zeit übrigens Frauen zu befürchten, die Ehebruch begangen hatten.

Chrodechilde war nicht das erste Kind ihrer Eltern. Wir erfahren von Gregor von Tours, dass sie noch eine ältere Schwester besaß, die den Namen Chrona trug. Mit Sicherheit wuchsen die beiden Mädchen in der unmittelbaren Umgebung ihres Onkels Gundobad auf und wurden nicht, wie Gregor von Tours behauptet, vom Hofe verbannt. Schließlich erzählt dieser uns selbst, dass die Boten von Chlodwig I. Chrodechilde am Hofe ihres Onkels sahen und ihrem Herrn von ihrer Schönheit und Klugheit berichteten. Zu dieser Zeit hatte Chrodechildes ältere Schwester Chrona bereits den Schleier genommen und war ins Kloster gegangen. Ob freiwillig oder gezwungenermaßen erfahren wir nicht.

Chlodwig I. (um 466-511), der einzige Sohn des Merowingerkönigs Childerich I. († 481/82) aus seiner Ehe mit Basina (siehe: Stammtafel der Merowinger 1), war, als er sich für Chrodechilde als seine zukünftige Gattin interessierte, bereits verheiratet. Es handelte sich bei seiner ersten Ehe um eine Kebsehe. Leider erfahren wir den Namen seiner ersten Gattin nicht. Wir wissen nur, dass sie ihm bereits einen Sohn Theuderich I. († 533) geboren hatte, der vor 484, vermutlich um 482, geboren wurde. Aufgrund der Beschreibungen, die seine Boten von Chrodechilde lieferten, war Chlodwig I. auf diese neugierig geworden und bat schließlich um ihre Hand, die deren Onkel Gundobad ihm nicht zu versagen wagte. Außerdem bot die Heirat die große Gelegenheit, einen neuen mächtigen Bündnispartner zu gewinnen, denn Chlodwig I. stand bereits zu dieser Zeit in dem Ruf, ein gewaltiger und hervorragender Kämpfer zu sein. (in: Decem Libri Historiarum II, 12, S. 95). Beide, Gundobad und Chlodwig I., hatten zudem einen gemeinsamen Feind: die Westgoten, die den Burgundern die Provence entrissen hatten. (in: Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. Stuttgart, Berlin, Köln und Mainz 1988, S. 21).

Über Chrodechildes Zeit am Hofe ihres Onkels Gundobad erfahren wir nicht viel. Für ihre Erziehung wird maßgeblich die erste Gattin ihres Onkels, Caretene (456-506), verantwortlich gewesen sein, die nach der Geburt ihres Sohnes Sigismund (oder Sigimund) († 523) keine Kinder mehr bekommen konnte und deshalb schließlich von ihrem Gatten gezwungen wurde, ins Kloster zu gehen. Die zweite Gattin ihres Onkels schenkte diesem noch einen weiteren Sohn, Godomar II. († 532/534). Die Mitglieder der burgundischen Königsfamilie waren Arianer. Sie folgten also der Lehre des Priesters Arios oder Arius († 336). Nur Gundobads erste Gattin, Caretene, war Katholikin, die nun, nachdem sie die Erziehung ihrer beiden Nichten Chrona und Chrodechilde übernommen hatte, diese ebenfalls im katholischen Glauben unterwies. Nach der Verstoßung vom Hofe ihres Gatten ließ Caretene in Lyon die älteste von einer Königin gegründete Grabkirche, die Michaelskirche, mit einem dazugehörigen Nonnenkloster erbauen, in das sie schließlich zusammen mit ihrer Nichte Chrona eintrat.

Als Chrodechilde die Gattin von Chlodwig I. wurde, muss sie nach der Tradition ihrer Zeit noch sehr jung gewesen sein. Im Allgemeinen wurden die jungen Prinzessinnen im Alter von 12 Jahren vermählt. Über Hildegard, die Lieblingsgattin von Karl dem Großen, wird Folgendes berichtet: “She had been married at the age of twelve: at that time, girls married as soon as they reached puberty in order to exploit their reproductive abilities to the full.” (in: Alessandro Barbero: Charlemagne – Father of a Continent. Berkeley, Los Angeles and London 2004, p. 135). Theoderich der Große soll seine Nichte Amalaberga um 508 sogar noch in kindlichem Alter ‒ vermutlich als Neun- oder Zehnjährige ‒ an den Thüringerkönig Herminafried verheiratet haben.

Was für ein Mann war Chlodwig I., den Chrodechilde um 492 oder 493 auf Befehl ihres Onkels Gundobad hin heiraten musste? Gregor von Tours beschrieb ihn in seinem Werk vor seiner Heirat mit Chrodechilde folgendermaßen: „Dazumal wurden viele Kirchen von Chlodovechs Heer geplündert, denn er war noch vom heidnischen Aberglauben befangen. So hatten auch die Franken aus einer Kirche einen Krug von wunderbarer Größe und Schönheit nebst den anderen kostbaren Geräten des Gottesdienstes weggenommen. Der Bischof jener Kirche sandte darauf Boten zum Könige und bat, daß wenn er auch nichts anderes von den heiligen Geräten wiedererlangte, seine Kirche doch mindestens diesen Krug zurückerhielte. Der König vernahm es und sprach zu dem Boten: ‚Folge uns nach Soissons, denn dort muß alles geteilt werden, was erbeutet ist. Und wenn das Los mir jenes Gefäß gibt, so will ich tun, was der Bischof begehrt.‛ Darauf kam er nach Soissons, und es wurde die ganze Masse der Beute öffentlich zusammengebracht. ‚Ich bitte euch, tapfere Krieger, sprach der König, erzeigt mir die Gunst, mir außer meinem Teil auch jenes Gefäß da zu geben.‛ Er meinte nämlich den erwähnten Krug. Als der König das sagte, sprachen die Verständigeren: ‚Alles, was wir sehen, ist dein, ruhmreicher König, auch wir selbst sind deiner Herrschaft unterworfen. Tue jetzt, was dir gefällt; denn keiner kann deiner Macht widerstehen.‛ Da sie dies sagten, trieb ein leichtsinniger, neidischer und unbedachtsamer Mensch mit lautem Geschrei seine Streitaxt in den Krug und sagte: ‚Nichts sollst du davon haben, als was dir nach dem Recht das Los zuteilt.‛ Das versetzte alle in Bestürzung, der König aber trug diese Beleidigung mit Sanftmut und Geduld, nahm den Krug und gab ihn dem Boten der Kirche, bewahrte aber heimlich in seiner Brust den ihm angetanen Schimpf. Und als ein Jahr verflossen, ließ er das ganze Heer in seinem Waffenschmuck zusammenrufen, um auf dem Märzfeld den Glanz seiner Waffen zu zeigen. Als er aber hier alle durchmusterte, kam er auch an den, der auf den Krug geschlagen hatte, und sprach zu ihm: ‚Keiner trägt die Waffen so ungepflegt wie du, denn dein Speer, dein Schwert und deine Streitaxt sind nichts nütze.‛ Und er nahm dessen Axt und warf sie auf die Erde. Jener neigte sich darauf ein wenig herab, um sie aufzuheben, da holte der König aus und hieb ihn mit der Axt in den Kopf. ‚So, sagte er, hast du es zu Soissons einst mit dem Krug gemacht.‛ Als er gestorben war, hieß der König die übrigen nach Hause gehen und gewaltige Furcht jagte er allen durch diese Tat ein. Viele Kriege führte er fortan und gewann viele Siege.“ (in: Decem Libri Historiarum II, 27, S. 111/113).

Chlodwig war, als er um die Hand Chrodechildes bat, mittlerweile ein sehr mächtiger Mann geworden. Er galt als skrupellos, grausam, tückisch, rachsüchtig und egozentrisch. Im Jahr 486 hatte er in der Schlacht von Soissons den letzten selbständigen römischen Herrscher in Gallien, Syagrius, besiegt und schließlich verfolgen und hinrichten lassen. Auch seinen nahen Blutsverwandten wie dem König Ragnachar von Cambrai und dessen Brüdern Richar und Rignomer sollte er einige Jahre später mit seiner Axt die Schädel einschlagen. Gregor von Tours erzählt uns noch Folgendes über den merowingischen König Chlodwig I.: „Auch viele andere Könige ließ er töten, sogar seine nächsten Verwandten, von denen er fürchtete, sie möchten ihm das Reich nehmen, und breitete so seine Herrschaft über ganz Gallien aus … Als er aber eines Tages seine Leute versammelt hatte, soll er zu ihnen von seinen Blutsverwandten, die er ermordet hatte, so geredet haben: ‚Weh mir, daß ich nun wie ein Fremdling unter Fremden stehe und keine Verwandten mehr habe, die mir, wenn das Unglück über mich kommen sollte, Hilfe gewähren können!‛ Aber er sprach dies nicht aus Schmerz um den Tod derselben, sondern aus List, ob sich vielleicht noch einer fände, den er töten könnte.“ (in: Decem Libri Historiarum II, 42, S. 139/141).

Wie die Verlobungszeremonie von Chrodechilde und Chlodwig I. ablief, erfahren wir ebenfalls von Gregor von Tours, der uns berichtet, dass bei dieser Zeremonie die Frau von ihrem zukünftigen Gatten zuerst einen Ring erhält, dann von ihm geküsst wird und schließlich noch ein Paar Schuhe überreicht bekommt, und dann würde man mit reichlich dargebotenen Speisen und nicht enden wollenden Fässern an Wein kräftig feiern (in: Gregor von Tours: Vitae patrum XX, 1, S. 291).

Chrodechilde, deren neues Zuhause sich nach ihrer Heirat in Paris befand, erwies sich zur großen Freude ihres Gatten als eine sehr fruchtbare Frau. Bereits um 494 brachte sie ihr erstes Kind, ihren Sohn Ingomer († vor 497), auf die Welt. Um 495 schenkte sie ihrem Gatten ihren zweiten Sohn Chlodomer († 524). Als überzeugte Katholikin wünschte sie selbstverständlich, dass ihre Kinder und auch ihr Gatte ihr in ihrem Glauben folgten und sich taufen ließen. Wie sie dies bewerkstelligte, erzählt uns Gregor von Tours: „Der König bekam nun von der Königin Chrodichilde den ersten Sohn. Sie wollte ihn taufen lassen und drang deshalb unaufhörlich in ihren Gemahl und sprach: ‚Nichts sind die Götter, die Ihr verehrt, denn sie können sich und andern nicht helfen. Sie sind nämlich ein Gebilde aus Stein, Holz und Erz. Und die Namen, die Ihr ihnen beigelegt, gehörten einst Menschen an, nicht Göttern: wie Saturnus ein Mensch war …‛ Aber wie oft auch die Königin so sprach, sie konnte doch des Königs Gemüt nicht zum Glauben bekehren … Indessen aber brachte die gläubige Königin ihren Sohn [Ingomer] zur Taufe und ließ die Kirche mit Teppichen und Decken schmücken, auf daß er [Chlodwig I.], der durch die Predigt nicht bekehrt werden konnte, durch diese festliche Handlung zum Glauben erweckt werde. Ihr Sohn aber, den man Ingomer nannte, starb, als er getauft, noch in den weißen Kleidern, in denen er das Bad der Wiedergeburt empfangen hatte [also innerhalb der Woche, in der er getauft wurde]. Da schwoll dem Könige die Galle, und er schalt heftig die Königin und sprach: ‚Wäre der Knabe geweiht im Namen meiner Götter, gewiß er lebte noch; nun aber, da er im Namen Eures Gottes getauft ist, konnte er nicht leben.‛ … Danach gebar sie einen andern Sohn, den sie in der Taufe Chlodomer nannte, und als er anfing zu erkranken … Aber durch das Gebet der Mutter wurde auf des Herrn Geheiß das Kind wieder gesund.“ (in: Decem Libri Historiarum II, 29, S. 115/117).

Die Taufe im 5. bzw. 6. Jahrhundert, also zu Beginn des Frühmittelalters, unterschied sich von der im späteren Frühmittelalter und im Hoch- und Spätmittelalter und in unserer Zeit in einigen wesentlichen Punkten. Sie wurde in besonderen Taufkirchen durch dreimaliges Untertauchen des Täuflings vollzogen, der in weiße Kleider gehüllt war, die er eine Woche lang trug. Außerdem fand die Taufe nicht wie im späteren Mittelalter einen Tag oder wie bei uns einige Wochen oder Monate nach der Geburt statt. Es konnten Jahre zwischen der Geburt und der Taufe liegen, wie zum Beispiel die Taufe von Fredegundes Sohn Chlothar II. († 629) zeigt, der im Jahr 584 geboren und im Jahr 591 getauft wurde. Sein Taufpate war sein Onkel Gunthram(n) († 592), der merowingische König von Orléans: „... der König [Gunthram(n)] aber trat zu dem heiligen Taufwasser und bot den Knaben zur Taufe dar. Und als er ihn heraushob, ließ er ihn Chlothar nennen …“ (in: Decem Libri Historiarum X, 28, S. 391/393).

Chlodwig I. war, was die Religionen seiner Zeit betraf, vermutlich anfänglich sehr tolerant oder einfach nur desinteressiert. Schließlich durfte Chrodechilde nach dem Tod ihres ersten Sohnes Ingomer auch ihren zweiten Sohn Chlodomer taufen. Chlodwig I. selbst war jedoch nur bereit, sich von seinen germanischen Göttern abzuwenden, wenn sich der christliche Gott mächtiger als jene erweisen sollte, was dieser laut Gregor von Tours in der Schlacht gegen die Alemannen (oder die Alamannen) im Jahr 496, in Chlodwigs 15. Regierungsjahr (in: Decem Libri Historiarum II, 30, S. 117 ), bei Zülpich in der Eifel auch tat. Was genau in dieser Schlacht geschah, berichtet uns Gregor von Tours: „Die Königin aber ließ nicht ab, in ihn [Chlodwig I.] zu dringen, daß er den wahren Gott erkenne und ablasse von den Götzen. Aber auf keine Weise konnte er zum Glauben bekehrt werden, bis er endlich einst mit den Alamannen in einen Krieg geriet; da zwang ihn die Not, zu bekennen, was sein Herz vordem verleugnet hatte. Als die beiden Heere zusammenstießen, kam es zu einem gewaltigen Blutbad, und Chlodovechs Heer war nahe dran, völlig vernichtet zu werden. Als er das sah, erhob er seine Augen zum Himmel, sein Herz wurde gerührt, seine Augen füllten sich mit Tränen und er sprach: ‚Jesus Christ, Chrodichilde verkündet, du seiest der Sohn des lebendigen Gottes; Hilfe, sagt man, gebest du den Bedrängten, Sieg denen, die auf dich hoffen – ich flehe dich demütig an um deinen mächtigen Beistand: gewährst du mir jetzt den Sieg über diese meine Feinde und erfahre ich so jene Macht, die das Volk, das deinem Namen sich weiht, an dir erprobt zu haben rühmt, so will ich an dich glauben und mich taufen lassen auf deinen Namen. Denn ich habe meine Götter angerufen, aber wie ich erfahre, sind sie weit davon entfernt, mir zu helfen. Ich meine daher, ohnmächtig sind sie, da sie denen nicht helfen, die ihnen dienen. Dich nun rufe ich an, und ich verlange, an dich zu glauben; nur entreiße mich aus der Hand meiner Widersacher.‛ Und da er solches gesprochen hatte, wandten die Alamannen sich und fingen an, zu fliehen. Als sie aber ihren König getötet sahen, unterwarfen sie sich Chlodovech und sprachen: ‘Laß, wir bitten dich, nicht noch mehr des Volkes umkommen; wir sind ja dein.‛“ (in: Decem Libri Historiarum II, 30, S. 117).

Weihnachten 498 (in: Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, ebenda, S. 23) durfte der Reimser Bischof Remigius deshalb nun Chlodwig I. zusammen mit mehr als 3.000 seiner fränkischen Krieger taufen. Gregor von Tours lässt uns auch an diesem Fest teilnehmen: „Mit bunten Decken wurden nun die Straßen behängt, mit weißen Vorhängen die Kirchen geschmückt, die Taufkirche in Ordnung gebracht, Wohlgerüche verbreiteten sich, es schimmerten hell die duftenden Kerzen, und das ganze Heiligtum der Taufkirche wurde von himmlischem Wohlgeruch erfüllt ... Zuerst verlangte der König vom Bischof getauft zu werden … Also bekannte der König den allmächtigen Gott als den dreieinigen und ließ sich taufen im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und wurde gesalbt mit dem heiligen Öl unter dem Zeichen des Kreuzes Christi. Von seinem Heer aber wurden mehr als dreitausend getauft. Es wurde auch seine Schwester Alboflede getauft, die nicht lange danach zum Herrn einging. Da sich der König tief um sie bekümmerte, schrieb ihm der heilige Remigius einen Trostbrief, der hub solchermaßen an: ‚Es betrübt mich die Veranlassung Eures Kummers, es betrübt mich über die Maßen, daß Eure Schwester seligen Andenkens, Alboflede, heimgegangen ist. Aber wir vermögen Euch deshalb zu trösten, denn sie schied so von dieser Welt, daß man eher zu ihr aufblicken, als um sie trauern sollte.‛“ (in: Decem Libri Historiarum II, 31, S. 117/119/121). Auch Chlodwigs Schwester Lantechilde, die dem arianischen Glauben anhing, bekannte sich schließlich zum Katholizismus. Chrodechilde hatte ihrem Gatten derweil um 497 einen weiteren Sohn, Childebert I. († 558), und um 499 eine Tochter, Chlothilde oder Chlodechilde († 531), geschenkt (siehe: Stammtafel der Merowinger 2).

Das neue Jahrhundert, das 6., fing nicht besonders vielversprechend an. Kurz nach 500 gab es häufig wiederkehrende Erdbeben (in: Decem Libri Historiarum II, 34, S. 127), und im Haus der Burgunder, der Familie von Chrodechilde, waren wieder einmal schwere Zwistigkeiten ausgebrochen. Ihr Onkel Godegisil wollte seinen älteren Bruder Gundobad von seinem Thron stürzen und hatte in aller Heimlichkeit Kontakt mit Chlodwig I. aufgenommen. Gregor von Tours wusste sogar, was Letzterer dem Gatten seiner Nichte durch seine Boten mitteilen ließ: „... ‚Wenn du mir Beistand leihen willst gegen meinen Bruder [Gundobad], daß ich ihn im Kriege töten oder aus dem Reiche treiben kann, will ich dir Jahr für Jahr so viel Tribut zahlen, als du mir aufzulegen beliebst.‛ Solches hörte Chlodovech gern und versprach ihm zu Hilfe zu kommen, so oft es von Nöten sei; und zur bestimmten Zeit bot er darauf sein Heer gegen Gundobad auf …“ (in: Decem Libri Historiarum II, 32 und 33, S. 121/123/125). Auf diese Weise besiegte Godegisil zusammen mit Chlodwig I. das Heer von Gundobad, der jedoch selbst nach Avignon entfliehen konnte. Nun trat aber dieser ebenfalls mit dem Gatten seiner Nichte Chrodechilde in Kontakt und bot ihm noch mehr Tribut, als sein Bruder Godegisil bereit war zu geben, an. Chlodwig I. war mit dem Angebot zufrieden und hielt sich fortan in der Auseinandersetzung zwischen den beiden Brüdern heraus. Gundobad zog schließlich mit seinem Heer gegen seinen treulosen Bruder, der sich zu dieser Zeit in Vienne befand. Letztendlich wurde Godegisel noch im Jahr 500 oder im Jahr 501 erschlagen, und der Frieden kehrte für einige Zeit zurück ins burgundische Reich.

Im Jahr 501 brachte Chrodechilde ihren letzten Sohn, Chlothar I. († 561), auf die Welt. Was seinen Charakter betraf, glich dieses Kind ihrem Gatten am meisten. Wie sein Vater galt Chlothar als äußerst gewalttätig, skrupellos und rücksichtslos. Gregor von Tours beschrieb ihn als besonders brutal und sehr wollüstig.

Um 502 starb die einzige Person, für die Chlodwig I. Respekt empfand: die bereits zu ihren Lebzeiten im Rufe der Heiligkeit stehende Genoveva. Jene hatte um 420 als einziges Kind eines reichen germanischen Adligen, der in römischen Diensten stand und Severus hieß, und dessen Gattin Gerontia in Nanterre das Licht der Welt erblickt. Mit 9 Jahren stand ihr zukünftiger Lebensweg bereits fest, nachdem die Bischöfe Germanus von Auxerre und Lupus von Troyes auf ihrem Weg nach England ihr Dorf besucht hatten. Germanus von Auxerre († 448) hatte ihr bei dieser Gelegenheit heimlich den Eid der Enthaltsamkeit und Keuschheit abgenommen. (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe. Oxford 2009, S. 54).

Seit ihrer Begegnung mit dem Bischof Germanus von Auxerre war Genoveva fest davon überzeugt, dass sie eine Auserwählte Gottes sei, woran sie in ihrem langen Leben auch niemals zweifeln sollte. Als Frau standen ihr im Gegensatz zu Gregor von Tours die geistlichen Positionen in der Hierarchie der katholischen Kirche nicht zur Verfügung. Sie konnte daher nicht innerhalb der katholischen Kirche Karriere machen. Aber sie wusste ihren Weg auch ohne diese zu gehen. Sie wahrte die typischen Eigenschaften ihres Geschlechtes, gab sich keusch und bescheiden und lebte mit gleichgesinnten Frauen, die ebenfalls die Gelübde der Enthaltsamkeit und Keuschheit abgelegt hatten, in einem Haus (nicht in einem Kloster) zusammen. Aber sie ließ es sich nicht nehmen, sich gleichzeitig die Autorität eines Bischofs anzumaßen und zu predigen. Wie die Männer ihrer Zeit war sie zudem viel unterwegs. Sie machte sich nach Laon, Meaux, Arcis, Troyes, Orléans, Tours und anderen Orten auf, um dort ihre Wundertaten und Heilungen zu vollziehen. Selbstverständlich zog sie sich als sehr selbstbewusste Frau viele Feindschaften besonders unter den Männern in Paris zu. Aber beim einfachen Volk und den Bürgern in Paris war sie beliebt.

Durch Intervention bei den merowingischen Königen Childerich I. und dessen Sohn Chlodwig I. konnte sie Gefangene befreien und vor ihrer Hinrichtung bewahren. So wurde zum Beispiel erzählt, wie Childerich I. die Stadt Paris in großer Eile verließ, um einige Geiseln außerhalb der Stadtmauern hinzurichten. Er hatte noch befohlen, hinter ihm die Stadttore zu schließen, damit Genoveva ihm nicht folgen konnte, um ihn erneut zu bitten, das Leben dieser Gefangenen zu schonen. Die Pariser wären bei dieser Gelegenheit Zeugen gewesen, wie Genoveva die Stadttore auch ohne die nötigen Schlüssel öffnete, dem König folgte und ihn bat, die Gefangenen nicht zu köpfen. Sie war die Herrin von Paris, und sie bestimmte, was in dieser Stadt geschah, und selbst ein Childerich I. hatte sich ihr zu unterwerfen. (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., p. 70). Und als während der Kämpfe zwischen Chlodwig I. und dem gallischen Heerführer Syagrius die Nachschubwege versperrt waren und die Pariser eine zehnjährige Hungersnot durchmachen mussten, besorgte Genoveva mit Hilfe von mehreren Schiffen das so dringend benötigte Getreide selbst aus Troyes. (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., p. 65).

In der Biografie der Heiligen Genoveva, die ungefähr 27 Jahre nach ihrem Tod von einem uns unbekannten Mönchen verfasst wurde (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., p. 52) – vielleicht auf Anregung von Chrodechilde hin ‒, behauptete der Verfasser, dass „der heidnische König Childerich, der König der Franken, [Genoveva] mit einer Ehrfurcht liebte, die ich nicht auszudrücken vermag.“ (in: Vita Genovefae virginis Parisiensis, 26, herausgegeben von Bruno Krusch, MGH SRM 3 (1896)). Chlodwig I. und Chrodechilde fühlten sich ebenfalls zu Genoveva hingezogen, mit der sie bereits vor 500 engen Kontakt pflegten. Als jene um 502 verstarb, ließ Chlodwig I. über ihrem Grab die Apostelkirche Peter und Paul errichten, die im 9. Jahrhundert in die Kirche Sainte-Geneviève umbenannt wurde. In dieser Kirche, deren Fertigstellung Chrodechilde nach dem Tod ihres Gatten überwachte, fanden schließlich auch sie, ihr Gatte, einige ihrer Kinder und Enkelkinder und viele ihrer hohen Adligen ihre letzte Ruhestätte. Im Jahr 857 wurde diese Kirche von den Wikingern verbrannt. Der Schrein und die Reliquien von Genoveva konnten jedoch gerettet werden, um dann schließlich in der französischen Revolution im Jahr 1793 ebenfalls zerstört bzw. verbrannt zu werden. (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., p. 94). Sehr interessant ist, dass die Kirche, die Genoveva für den Heiligen Dionysius errichten ließ, die Kathedrale von St. Denis, die königliche Grabstätte für einige von Chlodwigs und Chrodechildes Nachfahren und für die französischen Könige für die nächsten 1.200 Jahre werden sollte.

Im Jahr 507 erklärte Chlodwig I. ‒ nun unter dem Vorwand seines neuen Glaubens ‒ dem arianischen westgotischen König Alarich II. den Krieg. Zu seinen Gefolgsleuten soll er hierzu Folgendes gesagt haben: „Es bekümmert mich sehr, daß diese Arianer noch einen Teil Galliens besitzen. Laßt uns mit Gottes Beistand aufbrechen, sie besiegen, und dies Land in unsere Gewalt bringen.“ (in: Decem Libri Historiarum II, 37, S. 129/131). Bei Vouillé unweit von Poitiers konnte er den Westgoten schließlich eine vernichtende Niederlage beibringen. Alarich II., König der Westgoten seit 484, verlor in dieser Schlacht sein Leben. Seine Krieger leisteten noch ein Jahr Widerstand. Dann kapitulierte ihre Hauptstadt Toulouse, und der größte Teil des westgotischen Königsschatzes fiel in die Hände des merowingischen Siegers, der zusätzlich noch vom Kaiser Anastasios I. (oder Anastasius I.) († 518) wegen seines militärischen Erfolges zum Konsul erhoben wurde: „Damals erhielt er [Chlodwig I.] vom Kaiser Anastasius ein Patent als Konsul und legte in der Kirche des heiligen Martinus [in Tours] den Purpurrock und Mantel an und schmückte sein Haupt mit einem Diadem. Dann bestieg er ein Pferd und streute unter das anwesende Volk mit eigener Hand Gold und Silber auf dem ganzen Wege von der Pforte der Vorhalle [der Kirche des heiligen Martinus] bis zu der Bischofskirche der Stadt mit der größten Freigebigkeit aus; und von diesem Tage an wurde er Konsul oder Augustus genannt.“ (in: Decem Libri Historiarum II, 38, S. 135).

Schon vier Jahre später, am 27. November 511, endete das Leben von Chlodwig I. (in: Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, ebenda, S. 31). Sein Wunsch war es gewesen, an der Seite der heiligen Genoveva in seiner Grabeskirche, der Apostelkirche Peter und Paul, bestattet zu werden. Chrodechilde zog sich nach dem Tod ihres Gatten, wie es einer Witwe zu ihrer Zeit gebührte, vom aktiven Leben am königlichen Hofe zurück. So lesen wir bei Gregor von Tours Folgendes: „Die Königin Chrodichilde aber begab sich nach dem Tode ihres Gemahls nach Tours; dort diente sie bei der Kirche des heiligen Martinus und verlebte in höchster Keuschheit und Wohltätigkeit alle Tage, die ihr noch beschieden waren; nur selten besuchte sie noch Paris.“ (in: Decem Libri Historiarum II, 43, S. 141). Nur ein einziges Mal sollte sie noch die politische Bühne betreten und zwar in den Jahren 523 bis 524, als sie als Großmutter das Leben von drei von ihren Enkelsöhnen beschützen wollte.

Die Aufteilung des merowingischen Königreiches unter ihrem Stiefsohn Theuderich I. und ihren drei noch lebenden Söhnen Chlodomer, Childebert I. und Chlothar I. nahm sie im Gegensatz zu der Behauptung von Martina Hartmann (in: Martina Hartmann: Die Königin im frühen Mittelalter. Stuttgart 2009, S. 64) selbstverständlich nicht vor. Dieses Recht stand ihr als Frau, auch als Königin, nicht zu. Das Erbrecht bei den Merowingern, festgelegt in der Lex Salica, bestimmte, dass jeder Sohn ein gleichberechtigter Erbe seines Vaters war. Das bedeutete, dass sämtliche ihrer Söhne einen gleichberechtigten Anspruch auf die Königsherrschaft hatten und dass dem ältesten Sohn ihres Gatten keine Hoheit über seine jüngeren Halbbrüder zustand. Das Reich des verstorbenen merowingischen Königs Chlodwig I. musste daher unter seinen vier noch lebenden Söhnen aufgeteilt werden. Und mit diesem Problem wird sich Chlodwig I., wie wir bei Eugen Ewig lesen, bereits noch zu seinen Lebzeiten beschäftigt haben: „Vom Umfang her gesehen erhielt Theuderich [I.] den Löwenanteil … Es ist auch kaum ein Zufall, daß der Reichsteil Theuderichs die Anteile der Chrodechildsöhne nach außen weitgehend abschirmte: der einzige voll erwachsene Sohn Chlodwigs wurde so zum Garanten für den Bestand des Reiches in den Grenzen von 511.“ (in: Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, ebenda, S. 32-33).

Chlodwigs I. ehemaliges Königreich wurde somit nach seinem Tod im Jahr 511 in vier Teilreiche mit den Residenzstädten Reims, Orléans, Paris und Soissons gegliedert. Sein ältester Sohn Theuderich I. wurde König von Reims, sein Sohn Chlodomer König von Orléans, sein Sohn Childebert I. König von Paris und sein jüngster Sohn Chlothar I. König von Soissons. Um 512 hatte Chrodechilde auch Abschied von ihrer Tochter Chlothilde nehmen müssen, um deren Hand Theoderich der Große im Namen seines Enkels Amalarich (502-531), Sohn und Erbe des von Chlodwig I. im Jahr 507 erschlagenen westgotischen Königs Alarich II., bat. Chrodechildes Söhne gewährten dessen Bitte gern und schickten ihre Schwester mit einem großen Brautschatz nach Spanien.

In Tours erlebte Chrodechilde nun in den nächsten 23 Jahren mit, wie ihre drei Söhne sie zur 14-fachen Großmutter machten. Chlodomers burgundische Gattin Guntheuca brachte die drei Söhne Theudoald (514-524), Gunthar (517-524) und Chlodoald (um 520 - um 560) auf die Welt. Childeberts I. Gattin Ultrogotha (oder Vultrogotha), die als sehr fromm und wohltätig beschrieben wurde, schenkte ihrem Gemahl die Zwillingstöchter Chrodoswintha und Chrodoberga. Und die sieben Gattinnen von Chlothar I. machten ihn zum neunfachen Vater: Chramn (vor 518-560), Gunthar, geboren im Jahr 518, und Childerich, geboren um 520, die beide als kleine Kinder starben, Charibert (um 523-567), Gunthramn (um 532-592), Sigibert I. (um 535/36-575), Chlodoswinth († vor 568), Chilperich I. (um 534-584) und Gundowald (um 535-585) (siehe: Stammtafel der Merowinger 2 und Stammtafel der Merowinger 3).

Im Jahr 522 ereignete sich wieder einmal etwas Tragisches in Chrodechildes burgundischer Verwandtschaft. Ihr Cousin Sigismund (oder Sigimund), der Sohn ihrer Tante Caretene, der nach dem Tod seines Vaters Gundobad im Jahr 516 der nächste König von Burgund geworden war, ließ in diesem Jahr seinen Sohn Siegerich (oder Sigerich) aus seiner ersten Ehe mit Ostrogotho-Ariagne wegen angeblicher Verschwörung hinrichten. Sigismund hatte um 500 Ostrogotho-Ariagne, eine Tochter von Theoderich dem Großen, geheiratet, die ihm außer seinem Sohn Siegerich noch eine Tochter geschenkt hatte, die laut des Geschichtsschreibers Flodoard (894-966) Suavegotta (oder Suavegotho) hieß. Nach dem Tod von Ostrogotho-Ariagne hatte Sigismund um 1518/20 zum zweiten Mal geheiratet. Bei der Auserwählten handelte es sich um eine Frau aus dem ehemaligen Gesinde seiner ersten Gattin, die ihm noch zwei Söhne, Gisclahad und Gundobad, gebar. Siegerich hatte seine Stiefmutter als Gattin seines Vaters nie akzeptiert. Gregor von Tours sah es jedoch etwas anders. Für ihn hatte die Stiefmutter an dem schlechten Verhältnis zu ihrem Stiefsohn schuld. So lesen wir bei ihm über das Ereignis des Jahres 522 Folgendes: „... die [zweite Gattin von Sigismund] behandelte sehr hart, wie es Stiefmütter zu tun pflegen, diesen [Stief-] Sohn mit Feindseligkeiten und Streit. Daher schwoll an einem Festtage, als der Jüngling an ihr die Kleider seiner Mutter sah, ihm die Galle und er sagte: ‚Du verdientest es nicht, daß diese Kleider deinen Leib bedecken, denn ich weiß, sie gehörten einst deiner Herrin, meiner Mutter.‛ Da ward jene voller Ingrimm und reizte mit falschen Reden ihren Gemahl gegen den Sohn. ‚Dieser, sagte sie, trachtet voll Arglist danach, dein Reich zu gewinnen, er will dich töten und dann seine Herrschaft auch über Italien ausbreiten, denn er möchte das Reich, das sein Großvater Theoderich in Italien hatte, für sich gewinnen. Aber er weiß freilich, daß er bei deinen Lebzeiten dies nicht erreichen kann, und nur wenn du fällst, wird er steigen.‛ Durch solche und ähnliche Reden verführt und auf den Rat seines schändlichen Weibes hörend, ward er ein verruchter Kindesmörder. Denn als der Jüngling einst vom Weine trunken war, hieß er ihn nach Tische zur Ruhe gehen, und im Schlafe legte man ihm ein Tuch unter den Kopf, schürzte es unter dem Kinn, und erdrosselte ihn, indem zwei Diener das Tuch an sich zogen.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 5, S. 149).

Sigismund bereute dieses Verbrechen schon kurz danach aus tiefstem Herzen: „Darauf ging er zu den heiligen Männern von St. Maurice [den Mönchen des Klosters Saint-Maurice d’Agaune], verharrte dort viele Tage in Weinen und Fasten und bat um Vergebung.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 5, S. 149). Leider endete dieser unglückselige Vorfall nicht mit seiner Reue. Theoderich der Große fühlte sich als Großvater des Ermordeten zur Blutrache verpflichtet und erhielt von Chrodechildes Söhnen militärische Unterstützung, die im Prinzip nur an der Vergrößerung ihrer Herrschaftsgebiete interessiert waren. Nur Theuderich I., Chrodechildes Stiefsohn, der Sigismunds Tochter Suavegotta kurz nach 517 geheiratet hatte ‒ sie war seine zweite Gattin geworden ‒, hielt sich aus diesem Krieg gegen seinen Schwiegervater heraus. Sigismund verlor nach dem Einfall der Ostgoten und der Merowinger in sein Königreich jegliche Unterstützung von seinen Gefolgsleuten, wurde an die Merowinger ausgeliefert und im Jahr 523 zusammen mit seiner zweiten Gattin und seinen zwei kleinen Söhnen ‒ die beiden Jungen waren höchstens vier und drei Jahre alt ‒ von Chrodechildes Sohn Chlodomer bei Colomna, einem Dorfe im Gebiet von Orléans, in einen Brunnen geworfen und ertränkt. Nach der Ermordung von Sigismund war für Theoderich den Großen das Gebot der Blutrache erfüllt, und seine Truppen verließen wieder das burgundische Königreich, in dem nun Sigismunds Halbbruder Godomar II. zum nächsten König von Burgund aufstieg.

Letzterer hatte es nun nur noch mit einem Gegner, nämlich den Merowingern, zu tun, die er im Jahr 524 in der blutigen Schlacht bei Vézeronce bei Vienne besiegen konnte und in der Chlodomer fiel. Dessen Brüder Childebert I. und Chlothar I. gaben nach dieser Niederlage ihren Kampf auf und zogen sich ebenfalls in ihre Herrschaften zurück. Nachdem Chrodechilde die Nachricht vom Tod ihres Sohnes Chlodomer erhalten hatte, verließ sie sofort Tours und begab sich zu den drei Kindern ihres in der Schlacht gefallenen Sohnes, dem zehnjährigen Theudoald, dem siebenjährigen Gunthar und dem ungefähr vierjährigen Chlodoald, nach Orlèans. Als Regentin ihrer Enkelsöhne wollte sie dafür sorgen, dass diesen erstens kein Leid von ihren Onkeln angetan wurde ‒ sie muss ihre Söhne sehr gut gekannt haben ‒ und dass zweitens die Herrschaft ihres Sohnes Chlodomer erhalten blieb, die sich ihre drei Enkel, wenn sie mündig wurden, teilen konnten. Die Mutter der drei Kinder, Guntheuca, war nach dem Tod von Chlodomer, sogleich von dessen jüngstem Bruder Chlothar I., zur dritten Gattin gewählt worden. Es sieht so aus, dass es wegen dieser Schwagerehe keinen Protest vonseiten der katholischen Kirche gab.

Chrodechilde sollte jedoch ihre Enkelsöhne nicht vor ihren Söhnen Childebert I. und Chlothar I. schützen können. Was genau geschah, berichtet uns wieder Gregor von Tours: „Als aber die Königin Chrodichilde sich in Paris aufhielt, bemerkte Childebert, daß seine Mutter mit besonderer Liebe an den Söhnen Chlodomers hing. … Da wurde er neidisch und fürchtete, sie möchten durch die Gunst seiner Mutter zum Throne gelangen; so schickte er heimlich Boten an seinen Bruder, König Chlothachar [= Chlothar I.], und sprach: ‚Unsre Mutter läßt die Söhne unsres Bruders nicht von sich und will ihnen die Herrschaft geben; komm also schnell nach Paris, denn wir müssen Rat mit einander halten und erwägen, was mit ihnen geschehen soll, ob wir ihnen die Locken abschneiden und sie wie das übrige Volk halten, oder ob wir sie lieber töten und das Reich unseres Bruders zu gleichen Teilen unter uns teilen.‛ Über solche Rede hoch erfreut kam Chlothachar nach Paris. Childebert aber breitete unter der Menge das Gerücht aus, er und sein Bruder seien zusammengekommen, um jene Kinder auf den Thron zu erheben. Gemeinsam sandten sie zu ihrer Mutter, die sich damals in Paris aufhielt, und sprachen: ‚Schicke uns die Kinder, daß wir sie auf den Thron erheben.‛ Da freute sie sich, denn sie durchschaute ihre Hinterlist nicht; sie gab den Boten Speise und Trank und entsandte die Kinder mit den Worten: ‚Ich werde glauben, meinen Sohn nicht verloren zu haben, wenn ich euch nur in sein Reich eingesetzt sehe.‛ Als sie fortgingen, wurden sie jedoch sogleich ergriffen und von ihren Dienern und Erziehern getrennt, und sie wurden beide bewacht, die Diener für sich und für sich die Kinder. Darauf schickten Childebert und Chlothachar zu der Königin jenen Arcadius … mit einer Schere und einem gezückten Schwert. Als er zur Königin kam, zeigte er ihr beides und sprach: ‚Deinen Willen, ruhmreiche Königin, wünschen deine Söhne, unsere Gebieter, zu erfahren, was du nämlich meinst, daß mit diesen Knaben geschehen müsse: ob ihnen die Locken geschoren werden und sie [als Mönche] leben sollen, oder ob man sie beide [gemeint waren die beiden ältesten Enkelsöhne Theudoald und Gunthar] umbringen solle. Sie erschrak bei dieser Botschaft, und ihr Herz wurde von heftigem Ingrimm erfüllt, vornehmlich deshalb, weil sie schon das gezückte Schwert und die Schere vor Augen sah. Da sprach sie von Bitterkeit überwältigt – sie wußte in ihrem Schmerze nicht, was sie sagte – unbesonnener Weise also: ‚Lieber will ich sie, wenn sie nicht auf den Thron erhoben werden, tot sehen, als geschoren.‛ Er achtete jedoch zu wenig auf den Schmerz der Königin, erforschte auch nicht, wozu sie bei reiflicher Überlegung in der Folge kommen würde, sondern kehrte eilig zurück und sprach: ‚Vollendet das begonnene Werk, der Königin ist es genehm; sie selbst wünscht, daß ihr eure Absicht ausführt.‛ Sogleich ergriff Chlothachar den älteren Knaben [den zehnjährigen Theudoald] beim Arm, warf ihn auf die Erde, stieß ihm das Messer in die Schulter und tötete ihn grausam. Und als der Knabe laut schrie, stürzte sich sein Bruder [der siebenjährige Gunthar] zu den Füßen Childeberts, umfaßte seine Knie und rief unter Tränen: ‚Hilf mir, teuerster Oheim, daß nicht auch ich umkomme, wie mein Bruder.‛ Da sprach Childebert, und Tränen rannen über sein Antlitz: ‚Ich bitte dich, liebster Bruder, sei freigebig, schenk mir das Leben dieses Knaben, ich will dir für sein Leben geben, was du verlangst, nur töte ihn nicht.‛ Aber jener fuhr auf ihn mit Schmähungen los und sprach: ‚Stoß ihn von dir oder stirb statt seiner. Du selbst‛, sagte er, ‚bist der Anstifter dieser Sache und läßt nun so schnell von der Treue ab?‛ Da jener dies hörte, stieß er den Knaben von sich und warf ihn dem Bruder zu; der aber fing ihn auf, stieß ihm das Messer in die Seite und tötete ihn, wie er den Bruder zuvor getötet hatte; alsdann brachten sie auch die Diener und Erzieher der Knaben um. Als sie alle getötet waren, bestieg Chlothachar sein Roß und ritt davon, ohne die Tötung der Neffen schwer zu nehmen; auch Childebert begab sich vor die Mauern von Paris. Die Königin aber legte die Leichen der Kinder auf eine Bahre, folgte ihnen unter vielen Chorgesängen und unbeschreiblicher Trauer zur Kirche des heiligen Petrus [zur Apostelkirche Peter und Paul] und bestattete sie dort beieinander. Der eine war zehn, der andere war sieben Jahre alt. Den dritten Bruder aber, Chlodovald [oder Chlodoald] mit Namen, konnten jene nicht ergreifen, weil er durch den Beistand mächtiger Männer gerettet wurde. Dieser verzichtete auf das irdische Reich und wandte sich dem Herrn zu, schnitt sich mit eigener Hand die Locken ab und wurde Geistlicher; er lebte nur mit guten Werken beschäftigt und schied als Priester aus dieser Welt. Die Brüder [Childebert I. und Chlothar I.] aber teilten das Reich des Chlodomer unter sich zu gleichen Teilen.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 18, S. 171/173/175).

Chrodechilde sollte dieses Erlebnis nie vergessen. Ihre ermordeten Enkelsöhne Theudoald und Gunthar ließ sie, wie Gregor von Tours in seinem Geschichtswerk vermerkte, in ihrer Grabeskirche, der Apostelkirche Peter und Paul, bestatten. Nur der jüngste Sohn von Chlodomer, der damals ungefähr vierjährige Chlodoald, entkam dem Meuchelmord seiner Onkel. Er ging in die Geschichte als der Gründer des Klosters Saint-Cloud bei Paris und als Heiliger ein und starb um 560. Chrodechilde zog sich nun vollständig nach Tours zurück. Die politische Bühne sollte sie nie wieder betreten. Wie ihr Leben dort abließ, erzählt uns Gregor von Tours: „Die Königin Chrodichilde aber führte ein solches Leben, daß sie von jedermann verehrt wurde; sie war beharrlich im Almosengeben, durchnächtig im Gebet zu wachen, ihr Wandel war stets rein in Keuschheit und aller Ehrbarkeit; für die Kirchen sorgte sie mit Gütern, für Klöster und alle heiligen Orte mit dem Notwendigen und teilte freigebig und geneigten Willens aus, so daß man zu der Zeit meinte, sie diene Gott eifrig, nicht wie eine Königin, sondern wie eine eigene Magd; nicht die Herrschaft ihrer Söhne, nicht der Ehrgeiz dieser Welt, nicht ihr Reichtum machten sie hochmütig zu ihrem Verderben, sondern die Demut führte sie empor zur Gnade.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 18, S. 171/173/175).

Historisch belegt ist, dass Chrodechilde die Kirche Saint-Pierre in Paris und die Kirche Saint-Georges in Chelles und zusammen mit ihrem Gatten Chlodwig I. die Apostelkirche Peter und Paul, die Grabeskirche ihrer Familie, in Paris gründete. Möglicherweise hatte sie auch Einfluss auf die Gründung eines kleinen Klosters in Chelles. Auf ihre Initiative hin entstand zumindest das Kloster Saint-Germain d’Auxerre. Und sie versah Geistliche mit Gütern wie zum Beispiel einen Priester namens Anastasius mit einem Acker (in: Martina Hartmann: Die Königin im frühen Mittelalter, ebenda, S. 168 und Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter – Die Zeit der Merowinger. Darmstadt 2011, S. 131). Aber Chrodechilde war nicht nur, wie Gregor von Tours sie in seinem Geschichtswerk beschrieb, die große, keusche, bescheidene Gönnerin der katholischen Kirche, die Gott und der Kirche wie eine „Magd“ diente. Chrodechilde nahm sich auch das Recht, ihr freundlich gesinnte Geistliche zu Bischöfen zu bestimmen wie zum Beispiel zwei burgundische Landsleute, die mit ihr anlässlich ihrer Heirat mit Chlodwig I. ins Frankenreich gekommen waren und die sie nach dem Tod ihres Gatten beide zu Bischöfen von Tours ernannte. (in: Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter – Die Zeit der Merowinger, ebenda, S. 133).

Im Jahr 531 konnte Chrodechilde sich für einige Zeit darauf freuen, dass ihre Tochter Chlothilde zu ihr zurückkehren würde, die im Jahr 512 mit Amalarich, dem König der Westgoten, verheiratet worden war. Mit der Ehe zwischen Chlothilde und Amalarich stand es im Jahr 531 mittlerweile sehr schlecht. Chlothilde, die von ihrer Mutter zu einer überzeugten Katholikin erzogen worden war, geriet wegen ihres Glaubens immer heftiger in Streit mit ihrem Gatten, der Arianer war. So wurde ihr Bruder Childebert dazu bestimmt, nach Spanien zu gehen und sie wieder in den Schoß ihrer Familie zurückzuführen. Was genau geschah, erfahren wir erneut von Gregor von Tours: „Denn sie [Chlothilde] erlitt um ihres katholischen gläubigen Bekenntnisses willen viele Verfolgungen von ihrem Gemahl Amalarich. Oftmals ließ er, wenn sie zur heiligen Kirche ging, Mist und andren Kot auf sie werfen, und zuletzt soll er sie mit solcher Grausamkeit geschlagen haben, daß sie ein mit ihrem eigenen Blut getränktes Schweißtuch ihrem Bruder [Childebert] übersandte. Deshalb wurde dieser so zornig und zog nach Spanien. Amalarich aber rüstete, sobald er es vernahm, Schiffe zur Flucht. Als nun Childebert ihm nahe war und Amalarich schon das Schiff besteigen sollte, fiel ihm ein, daß er eine Menge von Edelsteinen in seiner Schatzkammer zurückgelassen habe, und er kehrte um, um sie zu holen, aber die Feinde sperrten ihm die Rückkehr zum Hafen ab. Er sah, daß er nicht mehr entwischen könne und flüchtete sich zu der Kirche der Rechtgläubigen. Ehe er aber noch die heilige Schwelle erreichen konnte, brachte ihm Einer durch einen Speerwurf eine tödtliche Wunde bei, und er hauchte den Athem aus an derselben Stelle. Childebert wollte darauf seine Schwester und ihre großen Schätze mit sich nehmen und in sein Haus führen, aber sie starb durch irgend einen Unfall [Sturz vom Pferd und Genickbruch?] auf dem Wege; sie wurde später nach Paris gebracht und neben ihrem Vater Chlodovech [= Chlodwig I.] begraben.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 10, S. 155).

Chrodechilde war im Gegensatz zu ihrer Tochter Chlothilde eine lange Lebenszeit gewährt worden. Sie sollte erst am 3. Juni 544 im Alter von ungefähr 64 Jahren sterben. In dieser langen Zeit erlebte sie den Aufstieg des Reiches ihres Gatten Chlodwig I. unter seinen Söhnen mit. Im Jahr 531 besiegten Theuderich I., dessen Sohn Theudebert I. († 547) und Chlothar I. die Thüringer. Im Jahr 532 oder 534 nahmen Childebert I. und Chlothar I. Burgund ein, und im Jahr 536/37 eroberten sie mit ihrem Neffen Theudebert I. die Provence. Damit hatte das merowingische Reich seine größte Ausdehnung in seiner Geschichte erreicht. In all dieser Zeit hoffte und betete Chrodechilde, dass es zu keinem Bruderkrieg zwischen den Söhnen und Nachfahren ihres Gatten komme. Denn Pläne zur Ermordung eines Bruders oder Verwandten hatte es mehrere gegeben wie zum Beispiel die tatsächliche Ermordung der zwei älteren Söhne von Chlodomer durch seine Brüder Childebert I. und Chlothar I. oder den Versuch von Theuderich I. und seinem Sohn Theudebert I. im Jahr 531, Chlothar zu töten. (in: Decem Libri Historiarum III, 7, S. 155). Zuzumuten waren diese Untaten allen Söhnen von Chlodwig I. So berichtet uns Gregor von Tours von Theuderich I. zum Beispiel Folgendes: „Als er [Theuderich I.] in seine Heimat zurückgekehrt war, ließ er Herminefred [oder Herminafried, König von Thüringen] zu sich kommen, und gab ihm sein Wort zum Pfande, daß ihm nichts geschehen solle; er überhäufte ihn auch mit Ehrengeschenken. Da sie aber eines Tages auf der Mauer der Stadt Zülpich mit einander sprachen, erhielt Herminefred einen Stoß, ich weiß nicht von wem, stürzte von der Mauer zur Erde und gab seinen Geist auf. Wer ihn von dort herabwarf, wissen wir nicht; man behauptet aber, daß ganz gewiß eine Hinterlist Theuderichs dabei im Spiele gewesen sei.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 8, S. 155).

Um 534 erklärten Childebert I. und sein Neffe Theudebert I., der nach dem Tod seines Vaters Theuderich I. im Jahr 533 der nächste König von Reims geworden war, ihrem Bruder bzw. Onkel Chlothar I. den Krieg. Hierüber berichtet uns Gregor von Tours Folgendes: „... Childebert aber und Theudebert boten ihr Heer auf und wollten gegen Chlothachar [= Chlothar I.] zu Felde ziehen. Als der nun davon hörte, meinte er, er könne es mit ihrer Heeresmacht nicht aufnehmen; er floh in einen Wald und legte hier im Gebüsch große Verhaue an … Auch die Königin Chrodichilde kam, als sie dies vernahm, zum Grabe des heiligen Martinus, warf sich nieder zum Gebet und wachte die ganze Nacht. Sie betete, daß nicht zwischen ihren Söhnen der Bruderkrieg ausbrechen möchte.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 28, S. 181). Und ihr Gebet half. Ein fürchterlicher Sturm mit Blitzen, Donner- und Hagelschlag verhinderte den Kampf der Brüder bzw. Verwandten. Jedoch litten unter diesem Unwetter wie durch ein Wunder nur „die Bösen“, Childebert und Theudebert: „Über Chlothachar war aber auch nicht ein einziger Regentropfen gefallen und nicht ein Donnerschlag gehört worden, ja, nicht einmal den Hauch eines Windes hatte man dort verspürt. Seine Brüder [Neffen trugen damals ebenfalls die Bezeichnung „Bruder“] schickten darauf Gesandte zu ihm und baten um Frieden und Bündnis. Als sie dies erlangt hatten, kehrten sie zur Heimat zurück. Niemand aber soll darüber im Zweifel sein, daß der heilige Martinus es war, der dies Wunder auf die Bitte der Königin bewirkte.“ (in: Decem Libri Historiarum III, 28, S. 181).

Im Jahr 536 wurde Chrodechilde, ohne es selbstverständlich zu wissen, Zeitzeuge eines Supervulkanausbruches. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich hierbei um den Ausbruch des Ilopango Vulkans in El Salvador. Milliarden an Tonnen von Asche verdunkelten die Tage in der ganzen Welt. Dieser Supervulkanausbruch vernichtete nicht nur die Maya und ihre Kultur, sondern hatte einen drastischen Klimawandel und damit verbunden verheerende Hungersnöte und Epidemien zur Folge. Andere Historiker gehen von einem Ausbruch des Krakatoa (oder Krakatau) in Indonesien im Jahr 535 oder 536 n. Chr. mit den gleichen schweren Folgen aus. Auch in Gregor von Tours Geschichtswerk wird auf den Klimawandel eingegangen. So lesen wir bei ihm über das Jahr 544 oder 548 Folgendes: „In diesem Jahre war ein strenger und ungewöhnlich rauher Winter, so daß die Flüsse fest zufroren und die Leute über sie ihren Weg wie über den festen Boden nehmen konnten. Auch die Vögel wurden vor Kälte und Hunger matt und ließen sich ohne listige Einrichtung mit der Hand fangen, da tiefer Schnee lag.“ (in: Historiarum III, 37, S. 191).

Chrodechilde wird von den Folgen des Supervulkanausbruches nicht mehr viel mitbekommen haben, denn sie schloss ihre Augen, wie bereits erwähnt, am 3. Juni 544 in Tours „zu Zeiten des Bischofs Injuriosus“, der dieses hohe geistliche Amt in Tours von 529 bis 546 einnahm, für immer. Ihre Söhne Childebert I. und Chlothar I. ließen ihren Leichnam nach Paris bringen und am Hochaltar ihrer Grabeskirche, der Apostelkirche von Peter und Paul, neben ihrem Gatten Chlodwig I. an der Seite der Heiligen Genoveva bestatten. (in: Decem Libri Historiarum IV, I, S. 195 und Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., p. 74). Die Gräber und Gebeine von Chrodechilde und ihrem Gatten Chlodwig I. sind nicht mehr erhalten. Sie waren bereits im Jahr 1807 verschwunden, als Napoleon Ausgrabungen an ihrer Grabeskirche vornahm. (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., p. 87).

Bereits wenige Jahre nach ihren Tod wurde Chrodechilde von der katholischen Kirche besonders wegen ihres großen Verdienstes, ihren Gatten Chlodwig I. für den katholischen Glauben gewonnen zu haben, heiliggesprochen. Sie wurde im Laufe der Zeit zur Schutzherrin der französischen Krone, der französischen Heeresflieger, der Frauen, der Bräute und der Witwen, der Eltern, der adoptierten Kinder, der Lahmen und der Notare, für die Bekehrung der Ehegatten, gegen das Fieber, die Kinderkrankheiten und den plötzlichen Tod (in: Ökumenisches Heiligenlexikon).

Im 9. Jahrhundert wurde ihre „Vita S. Chrothildis“ verfasst, die jedoch nicht als historische Quelle betrachtet werden kann. Dem Verfasser dieser Biografie standen offensichtlich keine historischen Unterlagen über Chrodechilde zur Verfügung. Er nahm sich die Biografie der Heiligen Genoveva zum Vorbild und beschrieb Chrodechilde daher im Prinzip wie eine zweite Genoveva. So stellte er Chrodechilde als Nonne dar, die wie Genoveva mit großer Geduld ihre Leiden und die ihr selbst zugefügten Entbehrungen wie Nahrungs- und Schlafentzug und ihre Selbstgeißelungen ertrug. Und wie Genoveva lebte Chrodechilde angeblich nur von Brot und Hülsenfrüchten. Wundergeschichten, die in der Biografie der Heiligen Genoveva zu finden sind, werden auch als Wundergeschichten von Chrodechilde verwendet. Während Letztere zum Beispiel den Bau des Klosters in der Nähe von Tours beaufsichtigte, versah sie die Bauarbeiter wie durch ein Wunder mit Getränken, indem sie Quellwasser in Wein verwandelte. Seliges hatte Genoveva in den Wäldern außerhalb von Paris getan, als sie die Arbeiter, die das Holz für ihre Basilika, die dem Heiligen Dionysius gewidmet werden sollte, fällten, mit nicht enden wollendem Wein versorgte. Außerdem scheute der Verfasser der Heiligen Chrodechilde auch vor glatten Lügen nicht zurück, wenn er zum Beispiel die Behauptung aufstellt, dass Chlodwig I. seine letzten Tage auf Erden wie ein Mönch verbrachte, der seinen gesamten Reichtum für die Errichtung von Klöstern verwendet haben soll. (in: Lisa M. Bitel: Landscape with two Saints – How Genovefa of Paris and Brigit of Kildare built Christianity in Barbarian Europe, id., pp. 58, 83-84).

Chrodechildes Söhne Childebert I. und Chlothar I., die sie überlebten, starben 14 bzw. 17 Jahre nach ihr. Über den Tod Childeberts I. im Jahr 558 berichtet Gregor von Tours Folgendes: „König Childebert fing an zu kranken, und nachdem er sehr lange Zeit zu Paris im Bette gelegen hatte, starb er und wurde in der Kirche des heiligen Vincentius [heute: St. Germain-des-Prés] begraben, die er selbst erbaut hatte. Sein Reich und seine Schätze nahm König Chlothachar in Besitz; seine Gemahlin Vultrogotha aber und seine beiden Töchter schickte er in die Verbannung.“ (in: Decem Libri Historiarum IV, 20, S. 223). Chlothar I., der jüngste Sohn von Chrodechilde, der seinem Vater Chlodwig I. charakterlich so sehr glich, starb als letztes ihrer Kinder im Dezember 561, als er im Forst von Cuise jagte und sich hierbei ein schweres Fieber zuzog. (in: Decem Libri Historiarum IV, 21, S. 225).


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