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Agrippina die Jüngere und ihre Zeit

Vorwort

Die Blütezeit des römischen Kaiserreiches währte nur zwei Jahrhunderte, beginnend mit Kaiser Augustus (Regierungszeit von 27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) und endend mit Kaiser Trajan (Regierungszeit von 98 n. Chr. bis 117 n. Chr.). Zum Glück für jeden an der römischen Geschichte interessierten Leser ist gerade über die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts vor und die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt sehr viel Quellenmaterial – sowohl in Wort als auch in Bild (in Form von Statuen, Büsten und Münzen) – erhalten geblieben. In dieser für die Römer glorreichen Zeit hatte Agrippina die Jüngere, eine Urenkelin von Augustus und eine Tochter des bei den Soldaten und im Volk sehr beliebten und hochverehrten Germanicus, gelebt. Als Schwester des Kaisers Caligula und Nichte und spätere Gattin des Kaisers Claudius gehörte sie zu den einflussreichsten und mächtigsten Frauen ihrer Zeit. Als Mutter des Kaisers Nero bestimmte sie schließlich für eine kurze Zeit selbst die Geschicke dieses riesigen Weltreiches. Nur einer einzigen römischen Frau – Julia Domna († 217 n. Chr.), der Gattin des Kaisers Septimius Severus († 211 n. Chr.) und Mutter der Kaiser Caracalla († 217 n. Chr.) und Geta († 212 n. Chr.) – sollte es noch einmal gelingen, an den Schalthebeln der römischen Macht so aktiv mitwirken zu können.

Wie Agrippina die Jüngere aussah, welche Eigenschaften sie besaß, welchen Unterricht sie in ihrer Jugend erhielt, mit welchen Männern sie verheiratet war, welches ihre Leidenschaften und Ideale waren, welche Rolle sie als Frau in der römischen Geschichte spielte und wie sie letztendlich starb, erfahren wir unter anderem von Plinius dem Älteren, Tacitus, Cassius Dio und Sueton, wobei besonders die Werke des Letzteren, der nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Redner und Anwalt tätig war, wichtige Informationen über sie liefern. Dieser besaß nämlich in seiner Eigenschaft als Kanzleichef des Kaisers Hadrian († 138 n. Chr.) die Möglichkeit, auf die vielfältigsten Quellen zurückgreifen zu können, da er den Zugang zu den kaiserlichen Archiven besaß, in denen sich die kaiserlichen Reden und Briefe, Senatsprotokolle und die Geheimschriften befanden.

In dieser vorliegenden Biografie möchten wir anhand der historischen Quellen der oben genannten Autoren der wahren Agrippina auf die Spur kommen. Denn leider muss man den bisherigen Historikern den Vorwurf machen, bezüglich dieser Frau voreingenommen und unkritisch recherchiert zu haben. Nur zu bereitwillig folgten sie den Annalen des Tacitus, der nicht nur dem julisch-claudischen Haus, zu dem Agrippina gehörte, sondern auch besonders politisch aktiven Frauen gegenüber sehr feindlich gesinnt war. So geistert Agrippina die Jüngere noch heute in den Geschichtsbüchern als ehrgeizige, kalte und machtgierige Massenmörderin herum. Dabei warnte gerade Tacitus uns selbst, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was uns die Quellen berichten: „So ungewiss bleiben oft gerade die wichtigsten Geschehnisse: während die einen alles, was sie irgendwie hören, gleich als verbürgte Wirklichkeit betrachten, verkehren die anderen die Wahrheit in das Gegenteil, und so oder so wuchern die Behauptungen bei der Nachwelt weiter.“ (in: Tacitus: Annalen, Drittes Buch, 19) und „Denn immer werden die Herrscher nach ihrem Tode im Gerede der Leute schlimmer dargestellt, als sie in Wirklichkeit waren.“ (in: Tacitus: Ann., Viertes Buch, 11).

Bei Agrippina hatte sich das lateinische Sprichwort: „Calumniare audacter, semper aliquid haeret“ – „Verleumde nur wacker, irgendetwas bleibt immer hängen!“ auf grausame Weise bewahrheitet. Lassen wir ihr endlich Gerechtigkeit widerfahren oder gewähren wir ihr doch zumindest das Recht: im Zweifelsfalle für die Angeklagte! Schließlich wurden ihr die Morde, die sie in ihrem Leben begangen haben soll, erst nach ihrer Ermordung durch ihren Sohn Nero und seine Helfershelfer zugeschrieben. Und dass wir den zeitgenössischen Quellen zur Zeit der römischen Kaiser gegenüber kritisch sein müssen, riet uns schon Cassius Dio: „... Dies hat auch auf die Geschichtserzählung den Einfluss, dass nicht mehr alles wie früher [zur Zeit der Republik] berichtet werden kann: denn früher wurde alles, selbst wenn es in den entferntesten Ländern geschah, vor das Volk und den Senat gebracht; so dass es alle erfuhren und der Nachwelt überliefern konnten. Wenn also auch Einzelne bei ihren Berichten sich von Furcht oder Gunst, von Freundschaft oder Hass leiten ließen, so konnte die Wahrheit teils bei denen, welche dieselben Dinge berichteten, teils aus den öffentlichen Urkunden erhoben werden. Von jetzt an aber wurde das meiste als Staatsgeheimnis verschwiegen, und findet, wenn es auch zu öffentlicher Kunde gelangt, da man der Wahrheit nicht auf den Grund kommen kann, keinen allgemeinen Glauben mehr, da man vermutet, dass alles, was gesprochen und getan wird, sich nach dem Willen der Machthaber und derer, die sie an ihrer Herrschaft teilnehmen lassen, bequemen muss. So kommt es, dass vieles, das nie geschah, als geschehen verbreitet wird, vieles aber, das wirklich geschehen ist, nicht zur Kenntnis der andern kommt, oder wenigstens anders, als es geschehen ist, berichtet wird. Aber auch die Größe des Reichs und die Menge der Tatsachen machen die Begründung derselben äußerst schwierig. So geschieht vieles in Rom, in den Provinzen und in Feindesland immer und tagtäglich, wovon niemand außer den dabei Beteiligten etwas Genaues erfährt; ja die meisten wissen nicht einmal, dass es überhaupt vorgefallen ist. Daher kann ich auch in der Folge, was ich berichten muss, nur so berichten, wie es allgemein bekannt geworden ist, ohne dafür zu stehen, dass es sich wirklich so begeben hat ...“ (in: Cassius Dio: Römische Geschichte, Band 9, Übersetzung von Leonhard Tafel, Metzler Verlag 1838, S. 1068-1069; der Text wurde der heutigen Schreibweise angepasst).

Bei der Suche nach der Wahrheit werden wir zudem einen Ausflug in eine Zeitepoche machen, die zu den Höhepunkten unserer Menschheitsgeschichte gehört. So pries Ovid seine Zeit nicht umsonst folgendermaßen: „Das Altertum möge andere erfreuen, ich preise mich glücklich, dass ich erst jetzt geboren bin. Diese Zeit passt zu meiner Art, nicht weil jetzt der Erde geschmeidiges Gold entrissen wird und weil die am fernsten Strand aufgelesene Perlmuschel zu uns kommt, und auch nicht, weil Berge durch das Schürfen nach Marmor abgetragen werden, und auch nicht, weil die Mole das blaue Meer vertreibt, sondern weil feine Lebensart herrscht und weil sich das bäurische Wesen nicht bis auf unsere Tage gehalten und die Urväter überlebt hat.“ (in: Ovid: Ars amatoria – Liebeskunst, Stuttgart 1992, S. 115, 117).


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Agrippina die Jüngere – Die große römische Politikerin und ihre Zeit

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