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20/11/2020

Zwei angebliche Porträts von Isabella von Aragon, der Herzogin von Mailand und Bari,

die leider immer noch auf dem Internet zu finden sind

Laut der heutigen Kunsthistoriker gibt es angeblich immer noch zwei Porträts von Isabella von Aragon (1470-1524), der Herzogin von Mailand und Bari. Ja, die Kunsthistoriker sind immer noch in der Lage, Journalisten von ihrem Unsinn zu überzeugen, die dann jenen in die ganze Welt verbreiten. Wenn irgendjemand zu Ihnen kommt und behauptet, er oder sie könnte ein Porträt, das aus dem Mittelalter oder der Renaissance stammte, identifizieren, dann stellen Sie jenen unbedingt folgende zwei Fragen:
1. Haben sie eine detaillierte zeitgenössische Quelle gefunden, in der diese Person beschrieben wurde, und erzählt uns diese Quelle, wie der oder die Abgebildete heißt? (Wenn jene behaupten sollten, sie hätten solch eine historische Quelle gefunden, dann bitten Sie jene, Ihnen diese doch einmal zu zeigen und dann schicken Sie sie mir. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist diese Behauptung Unsinn. Ich habe bisher nur sehr, sehr wenige historische Quellen gefunden, die ein Werk eines Künstlers bis ins Detail beschrieben.)
2. Versah der Maler das Porträtgemälde mit den Symbolen oder Emblemen und/oder den spezifischen Farben einer Dynastie, so dass wir in der Lage sind, den Abgebildeten oder die Abgebildete zu identifizieren? Handelt es sich also um zeitgenössische bildliche Quelle?

Schauen Sie sich bitte nun die beiden angeblichen Porträts von Isabella von Aragon, der Herzogin von Mailand und Bari, an (Abb. 1 and Abb. 2).

Abb. 1: Laut der heutigen Kunsthistoriker eine Porträtzeichnung von Isabella von Aragon, erstellt von Giovanni Antonio Boltraffio (Mailand, Biblioteca Ambrosiana)
Abb. 2: Laut der heutigen Kunsthistoriker ein Porträtgemälde von Isabella von Aragon, erstellt von Raphael

Die Abb. 1: Wir besitzen keine schriftliche historische Quelle, in der diese Porträtzeichnung erwähnt wurde, und da es sich um eine Zeichnung handelt, sind keine Symbole oder Embleme, die Aufschluss über die Identität der Dargestellten geben, zu finden. Aber es handelt sich bei der Dargestellten um eine sehr bekannte Dame der italienischen Renaissance. Daher besitzen wir von ihr viele andere Porträts, auf denen sie mit den Symbolen bzw. Emblemen und/oder spezifischen Farben ihrer Dynastie und der ihrer vier Gatten dargestellt wurde. Ihr Name ist Lucrezia Borgia. Und wir wissen sogar, wann diese Zeichnung erstellt wurde. Können Sie die Augen rechts neben ihrem Gesicht sehen? (Abb. 1 and Abb. 1a) Dies sind die Augen ihres dritten Gatten, Alfonso von Aragon, der ein Halbbruder von Isabella und die große Liebe von Lucrezia in ihrem Leben gewesen ist. Diese unfertige Porträtzeichnung wurde also im Jahr 1498 erstellt. Und der Künstler war nicht Giovanni Antonio Boltraffio, sondern sein Meister Leonardo da Vinci, der als Gesandter von Isabella von Aragon zu dieser Hochzeit nach Rom geschickt worden war. Bitte lesen Sie meine Antwort auf ein Schreiben, das ich erhielt.

Abb. 1a: Die Augen von Alfonso von Aragon (1481-1500)

Sehr interessant ist, dass diese Porträtzeichnung, die wahrscheinlich eine Vorlage für ein Porträtgemälde war, welches Leonardo da Vinci geplant hatte, in der Zukunft zu erstellen, mit dem Titel "Porträt von Isabella von Aragon, Herzogin von Mailand" erst nach 1921 (Abb. 1b) versehen wurde. Wie ich meinen Lesern und Leserinnen schon in so vielen anderen Artikeln von mir erklärt habe, wurden die Kunsthistoriker in den 1950ern und 1960ern so dreist, dass sie, ohne historische Quellen zu besitzen, den Dargestellten auf den wunderschönen Porträtgemälden der Renaissance Namen gaben. Niemand stoppte sie. Aus einfachen Kunsthistorikern wurden allmählich "Götter" mit unbeschränkten Machtbefugnissen.

Abb. 1b: Zumindest im Jahr 1921 besaß die Porträtzeichnung noch nicht den Titel "Porträt von Isabella von Aragon, der Herzogin von Mailand und Bari", sondern "Eine mailändische Dame". Und wir wissen, warum sie diesen Titel erhielt. Schließlich wiesen die Kunsthistoriker diese Arbeit fälschlicherweise Leonardos Schüler Giovanni Antonio Boltraffio zu, der für eine sehr lange Zeit in Mailand lebte und arbeitete. Und daher konnte es sich ihrer Meinung nach bei der Abgebildeten nur um eine Dame aus Mailand handeln.

Abb. 2: Wir besitzen keine schriftliche historische Quelle, die diese Porträtzeichnung erwähnt. Aber im Gegensatz zu der Abbildung 1 versah der Künstler dieses Porträt mit vielen Symbolen. Es handelt sich hier also um ein Identifikationsporträt. Daher sind wir in der Lage, die Dargestellte zu identifizieren. Ihr Name ist Costanza Colonna (1555-nach 1610). Sie war eine Urenkelin von Isabella von Aragon und war mit Francesco I. Sforza, dem Markgrafen von Caravaggio, verheiratet (= einem Nachkommen von Lodovico il Moro Sforza). Dieses Porträt von ihr wurde jedoch nicht von Raphael erstellt, wie die Kunsthistoriker behaupten. Raphael war bereits seit 35 Jahren tot, bevor Costanza Colonna geboren wurde.

Vergessen Sie bitte nicht, dass es sich bei dem Porträtgemälde "Mona Lisa" (Abb. 3) ebenfalls um ein Identifikationsporträt handelt. Leonardo da Vinci erstellte das erste Porträt von Isabella von Aragon als der neuen Herzogin von Mailand im Frühling 1489. Isabella zeigte sich in diesem Porträt mit dem spezifischen Trauergewand der Sforza-Herzoginnen, das jene in der zweiten Phase einer Trauerzeit (sie trugen dieses Gewand vom 9. bis zum 12. Monat des Trauerjahres) wiedergibt. Es gab insgesamt vier Herzoginnen dieser mailändischen Dynastie, die berechtigt waren, es zu tragen: Bianca Maria Visconti, Bona von Savoyen, Isabella von Aragon und Beatrice d’Este. Diese vier Damen sehen alle sehr unterschiedlich aus, und wir besitzen noch heute zumindest ein allgemein anerkanntes Porträt von jeder von ihnen.

Abb. 3: Isabella von Aragon, die neue Herzogin von Mailand, 1489

Mittlerweile kann ich auch die Frage beantworten, wann das Porträt "Mona Lisa" nach Frankreich kam: im Jahr 1499 oder Anfang des Jahres 1500

Und welche Landschaft sehen wir im Hintergrund von "Mona Lisa"? Er zeigt Pavia, den Hauptsitz von Isabella von Aragon und ihrem ersten Gatten, ihrem Cousin Gian Galeazzo II. Maria Sforza, dem Herzog von Mailand, und den Verlauf des wichtigsten Flusses in der Herrschaft der mailändischen Herzogin Isabella von Aragon, des Ticino, von seiner Quelle bis zu seiner Mündung in den Po in Pavia.

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