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Alltagsgeschichte des Mittelalters

III. 2.1. Die Ritter – berittene Haudegen oder heilige Kämpfer?

Um das Phänomen "Rittertum", seine Herkunft und seine Funktionen verstehen zu können, bedarf es zuvor noch einiger Erklärungen zum mittelalterlichen Kriegswesen.

Unter Karl dem Großen (König von 768 - 814) waren alle freien Männer nach Vollendung des 13. Lebensjahres zur Kriegsdienstleistung verpflichtet. Mit Schild, Schwert und Lanze, mit Bogen und Pfeilen ausgerüstet, hatten sie auf Befehl des Königs wie schon unter seinen Vorgängern an einem bestimmten Ort zu einem festgesetzten Termin zu erscheinen. Die Kriegslust der regierenden Häupter aber war für die Untertanen mit großen Kosten verbunden. Denn sie mußten für ihre Waffen, ja selbst für ihre Lebensmittel, falls der angekündigte Feldzug innerhalb des fränkischen Reiches stattfand und eine bestimmte Zeit nicht überschritt, selbst aufkommen.

Die Bauern in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. hatten wegen dieser militärischen Aufrufe häufig vor der Ernte ihre Felder zu verlassen mit der Konsequenz, daß ihre Familienangehörigen Hunger litten. Denn unter der Herrschaft des machtbesessenen und später heiliggesprochenen Karls gab es kaum Friedenszeiten. Da waren einerseits die Langobarden, die Awaren und die widerspenstigen Sachsen zu bekämpfen und andererseits in Spanien die moslemischen Abbasiden gegen die moslemischen Omayyaden zu unterstützen.

Um sich den ständigen königlichen Aufforderungen zum Heeresdienst entziehen zu können, begaben sich viele Bauern in die grundherrschaftliche, adlige oder geistliche Abhängigkeit und wurden Unfreie.

Gegen Ende des 8. Jhs. machte sich zudem ein grundlegender Strukturwandel im Heer bemerkbar. Nicht mehr das aus den Freien gebildete Fußheer, sondern die schwerbewaffnete Reiterei wurde zur Kerntruppe des Heeres, die im Hoch- und Spätmittelalter aus 2 000 bis 3 000 Mann bestand. Die Heere selbst wiesen im Durchschnitt 10 000 bis 12 000 Krieger auf!

Für die berittenen Kämpfer, waren es nun Fürsten oder edelfreie Herren, hieß es weiterhin:
"Wir gebieten dir, dich am 17. Juni an dem festgesetzten Sammelplatz pünktlich einzufinden. Du sollst samt deinen Leuten mit Waffen, Gerät, Lebensmitteln und Kleidung so ausgerüstet sein, daß du von da zu Felde ziehen kannst, wohin auch befohlen wird. Jeder Reiter soll Schild und Lanze, ein zweihändiges und kurzes Schwert, einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen besitzen. Die Lebensmittel müssen für drei Monate reichen, Waffen und Kleider für ein halbes Jahr." (in: Zeiten und Menschen C1, Paderborn 1968, S. 188)

Im Sachsenspiegel (13. Jh.) wurde der Kriegsdienst der berittenen Vasallen und Lehnsmänner sogar bis ins kleinste Detail geregelt: "Lehnsrecht 4 § 1: Der König bietet seinen Vasallen, dieser daraufhin seinen Lehnsmann mit der vorgeschriebenen Sechswochenfrist zum Reichsdienst auf. Die Aufgebotenen versprechen mit Kniefall und Gelöbnisgebärde, dem Aufgebot zu folgen.

Die fristgerecht Aufgebotenen sind zum Reichsdienst innerhalb des deutschen Sprachgebietes verpflichtet. Wer aber östlich der Saale belehnt ist, der muß gegen Wenden, Böhmen und Polen dienen.

Sechs Wochen hat der Vasall an der Reichsheerfahrt teilzunehmen und sich währenddessen selber zu verköstigen. Sechs Wochen vorher und sechs Wochen nachher soll er des Reiches Frieden genießen und »schacht rowe« (Schaftruhe) haben, d.h. von jedem Lehnsdienst befreit sein.

Lehnsrecht 4 § 3: Das Aufgebot zur Romfahrt des Königs erfolgt 1 Jahr, 6 Wochen und drei Tage ..., bevor sich das Heer versammelt. Wer Reichsgut zu Lehen hat und damit zur Teilnahme verpflichtet ist, kann sich davon durch eine Heersteuer in Höhe des zehnten Teils der Einkünfte aus dem Lehen befreien." (in: Der Sachsenspiegel in Bildern, ausgewählt und erläutert von Walter Koschorreck, Frankfurt a. M. 1976, S. 42/44)

Jeder berittene Kämpfer hatte für sein Pferd, die Ausrüstung und die Lebensmittel selbst aufzukommen. Keine billige Angelegenheit! Im 11. Jh. kostete allein das Pferd soviel wie 5 - 10 Ochsen! Außerdem benötigte man noch eine Schutzkleidung, das verstärkte Lederwams oder das Kettenhemd, und natürlich die Waffen.

Das schon bei den Römern bekannte Lederwams mit kurzen Ärmeln bedeckte den Reiter bis zum Knie. Es bestand aus Leder oder aus gesteiftem Leinen. Auf diesen Stoff wurden lamellenartig übereinanderliegend zungen- oder schuppenförmige Plättchen aus Eisen, Kupfer oder Horn aufgenäht oder aufgenietet. Mehr Schutz gegen Schwerthieb, Lanzenstich und Pfeilbeschuß bot jedoch das bereits im Kapitel "Modetrends im Mittelalter" beschriebene Kettenhemd.


Lesetipps:
  • Hansen, Walter: Die Ritter - Eine Reportage über das Mittelalter. Gütersloh 1977 (sehr gut)
  • Henne am Rhyn, Otto: Geschichte des Rittertums. Stuttgart (ohne Jahresangabe) (sehr gut)
  • Die Ritter des Mittelalters, in: Geschichte betrifft uns (1/1986)

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